„In Deutschland fehlen digitale Denker“ – 12. Augsburger Mediengespräche zur „Big-Data-Revolution“
02.10.2014 | 50 2014
Medienkompetenz spiele auch für das Thema „Big Data“ eine wichtige Rolle, betonte Martin Gebrande, Geschäftsführer der BLM, in seiner Eröffnungsrede. Denn jeder hinterlasse – gewollt oder ungewollt – beim Einkaufen, Recherchieren oder Spielen unzählige Daten im Internet: „Was wir brauchen, ist eine Art Informationsökosystem, bei dem jeder die Verwendung seiner persönlichen Daten selbst in der Hand hat und anonymisierte Daten für alle nutzbar öffentlich zur Verfügung stehen. So wird mehr Transparenz möglich, mehr Partizipation, mehr Wachstum und eine bessere Steuerung von komplexen sozialen Systemen – ganz gleich, ob im Verkehrs- oder Gesundheitswesen, bei der Logistik oder in öffentlichen Entscheidungsprozessen.“ Ein solches „Informationsökosystem“ kann – darüber waren sich alle Diskussionsteilnehmer auf dem von Silvia Laubenbacher (a.tv) moderierten Podium einig – nur mittels eines europaweiten ordnungspolitischen Rahmens für Big Data entstehen.
Um die digitalen Themen der Zukunft, egal ob im Bereich der Gesundheit oder des Verkehrs, chancenreich nutzen zu können, brauche es eine „Vision“, forderte Dr. Marianne Janik, Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland. Sie kritisierte, dass in Deutschland die „digitale Entwicklung noch ganz am Anfang“ stehe und große Teile der Gesellschaft und der Unternehmen nicht mitzögen: „Die Technologie ist schon da, aber es fehlen die digitalen Denker.“ Markus Blume, Mitglied des Bayerischen Landtags und Vorsitzender der CSU-Wirtschaftskommission, sah das ähnlich: „Deutschland hat die erste Welle der Digitalisierung schon verschlafen. Auf der zweiten Welle, die jetzt kommt und die gerade unsere Schlüsselindustrien betrifft, müssen wir mitschwimmen.“ Denn: „Wer den Kampf der Daten für sich entscheidet, wird der Gewinner der Wertschöpfungskette sein.“
Die Gefahr, dass nicht die Gesellschaft sondern Marktprozesse über Big Data entscheiden, formulierte Prof. Dr. Dr. Franz Radermacher, Vorstand für „Datenbanken und Künstliche Intelligenz“ an der Universität Ulm, und stellte klar, dass „nicht die Daten, sondern die Algorithmen“ das Entscheidende seien. Diese technische Intelligenz der Algorithmen werde künftig „in fast allen Aspekten den Menschen übertreffen. Das wird gigantische Konsequenzen – gerade auch für den Arbeitsmarkt – haben.“ Dr. Thomas Petri, Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, forderte: „Big Data muss Grenzen haben, wenn menschliche Entscheidungen dadurch zu sehr beeinflusst und automatisiert werden. Der Mensch sollte die Bestimmungshoheit über seine Willensbildung behalten.“
Um die Chancen von Big Data zu nutzen und die Risiken zu minimieren, brauche man „eine industriepolitische Leitidee, auf deren Basis man die Details lösen kann“. So formulierte Götz Hamann, Buchautor und stellvertretender Ressortleiter Wirtschaft von „Die Zeit“, das Fazit der Diskussion, über das sich alle einig waren. Wichtig sei, jetzt schnell zu handeln: „Wir brauchen ganz viel Offensive, keine Ohnmachtspolitik.“ Auch Prof. Dr. Dr. Franz Radermacher sah in der „richtigen Gesetzgebung für ganz Europa“ einen guten Lösungsansatz. In einem Urteil habe jüngst der Europäische Gerichtshof bereits das „Marktortprinzip“ – also dass Unternehmen die rechtlichen Spielregeln des Landes einhalten müssen, in denen sie als Verkäufer auftreten – festgelegt. Aus seiner Sicht ein Schritt in die richtige Richtung: „Wenn Europa eine konsequente Datenschutzpolitik macht, werden wir Optionen eröffnen, für die sich viele Unternehmen entscheiden. Aber die Menschen müssen das jetzt auch einfordern.“
Eine Zusammenfassung der Augsburger Mediengespräche ist am Samstag um 20.15 Uhr im Programm von a.tv zu sehen.
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