Mediennutzung junger Menschen zwischen Anspruch und Wirklichkeit - 26. Fachtagung des Forums Medienpädagogik
Kann man sich für Klimaschutz einsetzen und dennoch nachhaltig Medien nutzen? Lassen sich Online-Quellen verwenden – ohne auf Desinformation hereinzufallen? Oder: Wie vernetzt man sich auf Social-Media-Angeboten und schützt dennoch seine Privatsphäre? Wenn Kinder und Jugendliche Medien nachhaltig, informiert und selbstbestimmt nutzen möchten, stoßen sie auf viele widersprüchliche Anforderungen. Mit diesem Spannungsfeld haben sich Ende letzter Woche die rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 26. Fachtagung des Forums Medienpädagogik befasst.
Dr. Thorsten Schmiege, der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), sieht ganz klar Handlungsbedarf: „Wir müssen uns auseinandersetzen mit den widersprüchlichen Herausforderungen der Medienwelt und diese reflektieren.“ Echter Austausch sei gefragt. Ein wichtiges Forum für solchen Austausch biete seit vielen Jahren das Forum Medienpädagogik der BLM, so der BLM-Präsident zum Auftakt der Online-Veranstaltung.
Wie wir innere Widersprüche grundlegend erleben und mit ihnen umgehen, nahm Prof. Dr. Hans-Peter Erb von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg in den Blick. Er zeigte, dass eine reflektierte Nutzung digitaler Medien in alltäglichen Situationen häufig auf die Probe gestellt wird: sei es beim nicht sehr nachhaltigen Online-Shopping oder bei der Nutzung eines Messenger-Dienstes, der persönliche Daten leider nicht genügend schützt. Um solche widerstrebenden Bedürfnisse zu vereinbaren, neigen Menschen laut Prof. Erb dazu, eine der zwei Seiten zu relativieren. So könnten sie kognitive Dissonanz besser aushalten.
Durch die Digitalisierung wächst die Anzahl an verfügbaren Informationen, aber auch Desinformationen im Netz. Gerade für Kinder und Jugendliche kann die Informationssuche zur Herausforderung werden. In seinem Vortrag zeigte Dr. Pascal Jürgens von der Friedrich-Schiller-Universität Jena sechs Mythen aus dem Dilemma des unendlichen Angebots auf. Dabei spiele das soziale Umfeld eine entscheidende Rolle beim Umgang junger Menschen mit Desinformation, betonte Dr. Jürgens. Durch Stärkung der Medienkompetenz könnten Heranwachsende Quellen zielorientiert und selbstbestimmt nutzen.
Neben manipulativen Inhalten beeinflussen junge Mediennutzerinnen und -nutzer auch sogenannte „Dark Patterns“. Was darunter zu verstehen ist, erklärte Quirin Weinzierl vom Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer. Dark Patterns sind „User Interfaces, die mit Sorgfalt so gestaltet sind, Nutzende dazu zu verleiten etwas zu tun, das sie sonst nicht tun würden“, so Weinzierl. Vor allem Kinder und Jugendliche seien hier anfällig, da sie vermehrt auf Belohnung reagierten. Auch hätten sie Schwierigkeiten, abstrakte, nicht-gegenständliche Werte zu verstehen. Es gebe großen Handlungsbedarf, sie vor Dark Patterns zu schützen.
Auf die widersprüchliche Anforderung zwischen Datenschutz und Datenpreisgabe für Kinder und Jugendliche ging Dr. Tobias Dienlin von der Universität Wien ein. Das Teilen von persönlichen Informationen bedeute für Kinder und Jugendliche Partizipation und Selbstdarstellung und sei für sie daher enorm wichtig. Die Nutzung von Social-Media-Angeboten sei als Kulturpraxis anzuerkennen und dürfe nicht verurteilt oder pathologisiert, sondern müsse gestaltet werden, so Dr. Dienlin. Ziel sei, einen verantwortungsbewussten Umgang mit eigenen Daten zu vermitteln.
Besteht ein Widerspruch zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit oder lassen sich diese Anforderungen vereinbaren? Dr. Nina Grünberger von der Pädagogischen Hochschule Wien hat hierzu eine klare Meinung: Nachhaltigkeit lasse sich heute nur gemeinsam mit Digitalisierung und nach den drei Prinzipien „Effizienz“, „ökologische Konsistenz“ und „Suffizienz“ gestalten. Wichtig sei, Heranwachsenden einerseits ein Verständnis der Materialität von digitalen Geräten und andererseits ein werteorientiertes Denken im Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln.
Abschließend beleuchtete Verena Weigand, Bereichsleiterin Medienkompetenz und Jugendschutz der BLM, das Tagungsthema im Gespräch mit Michael Schwägerl, Vorsitzender des Medienkompetenz-Ausschusses des Medienrats der BLM und Moderator der Fachtagung. Auch sie verwies auf den langjährigen Einsatz des Forums Medienpädagogik der BLM für die Stärkung von Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen. Das Motto der BLM für die Stärkung von Medienkompetenz, bei dem das „Kennen – Verstehen – Nutzen“ von Medien im Fokus stehe, habe sich in der Vergangenheit im Umgang mit verschiedenen Herausforderungen bewährt und könne auch als Werkzeug für künftige Problemfelder in diesem Bereich eingesetzt werden. „Ich bin zuversichtlich, dass die Vermittlung von Medienkompetenz auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen wird, wenn es um einen selbstbestimmten und reflektierten Medienumgang geht“, so Verena Weigand.
Mehr Informationen sowie Fotos zur 26. Fachtagung des Forums Medienpädagogik der BLM finden Sie hier.
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