ProSiebenSat1 / MFE / Hauptversammlung
Vorletzte Woche, am 30. April, hat die Jahreshauptversammlung von ProSiebenSat.1 stattgefunden. Wie in den vergangenen Jahren auch, haben wir die Hauptversammlung intensiv mitverfolgt. Nicht zuletzt, um zu beobachten, wie groß der Einfluss ist, den die Großaktionäre – das ist die Medienholding MFE (Familie Berlusconi) und die tschechische Beteiligungsgesellschaft PPF (Renáta Kellnerová und Familie) – mit 26,58 Prozent bzw. 11,6 Prozent Beteiligung in der Hauptversammlung haben. Zwar übt kein Einzelaktionär eine Beherrschung im Sinne des Aktiengesetzes (AktG) aus. Bei geringen Beteiligungsquoten auf der Hauptversammlung kann aber bereits eine Beteiligung von unter 30 Prozent zu einer faktischen Beherrschung führen.
Im Vorfeld der Hauptversammlung war ein Streit in die Öffentlichkeit getreten – zwischen Vorstand und Aufsichtsratsvorsitz einerseits und MFE als größtem Einzelaktionär andererseits. Neben der Frage der Besetzung des Aufsichtsrats ging es dabei um die Zukunftsstrategie für ProSiebenSat.1 und dabei vor allem um den Zeitplan, die Digitalunternehmen (Parship, Jochen Schweizer, etc.) zu veräußern. MFE zeigt sich mit dem bisherigen Vorgehen unzufrieden und strebt eine komplette Abspaltung von Geschäftsbereichen an, die nicht zum Entertainmentbereich gehören. In Unterföhring lehnt man das ab und setzt dagegen auf den Verkauf einzelner Beteiligungen in einem günstigen Marktumfeld, um einen möglichst hohen Erlös zu erzielen.
Im Ergebnis konnte sich MFE mit vielen Anträgen durchsetzen. Auch, weil bei einigen Abstimmungen nicht alle Aktionäre votiert, sondern sich enthalten hatten. Beim zentralen Abspaltungsantrag verfehlte MFE allerdings die nötige Dreiviertelmehrheit – wenn auch knapp: der Vorschlag der Abspaltung erhielt 70,95 Prozent der Stimmen. Letzteres legt nahe, dass neben MFE auch PPF dem Antrag zugestimmt hat.
Für die Landeszentrale steht im Vordergrund, die wirtschaftliche Tragfähigkeit und die finanzielle Ausstattung der ProSiebenSat.1 Media SE am Medienstandort Bayern zu sichern. Warum ein Streit, der sich im Kern weniger um das Ziel – Stärkung des Kernbereichs von ProSiebenSat.1 durch Beteiligungsverkauf – als um den Zeitplan dreht, in der Öffentlichkeit ausgetragen wurde und wird, ist zunächst nicht plausibel.
Wie sich der Konflikt um die richtige Zukunftsstrategie nach der Hauptversammlung weiterentwickelt, ist aktuell offen. Doch der Einfluss von MFE ist groß – das wurde auf der Hauptversammlung sehr deutlich: Insbesondere zwischen den beiden größten Aktionären scheint es ähnliche Interessen zu geben. So konnten sich MFE und PPF auch bei der Berufung von eigenen Aufsichtsratsmitgliedern gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden durchsetzen. Insofern gerät nicht nur der Vorstandsvorsitzende Bert Habets, sondern zunehmend auch der Aufsichtsratsvorsitzende, Dr. Andreas Wiele, in den Fokus.
Eine Anmerkung noch zum Schluss:
So skeptisch man MFE gegenüberstehen mag, muss man auch sehen: Die Italiener kennen sich aus mit dem TV-Geschäft, haben langfristig strategische Ziele und weniger kurzfristige Renditeoptimierung im Sinn. Das kann man etwa von dem Finanzinvestor KKR (der Gesellschafter bei Axel Springer ist, seine Anteile an ProSiebenSat.1 aber Anfang 2021 verkauft hat) nicht sagen. Kritisch ist allerdings, und das haben wir auch MFE gegenüber zu Ausdruck gebracht, dass ein solcher Konflikt so offen geführt wird und damit das Unternehmen und handelnde Personen zu beschädigen droht.
Die Landeszentrale wird sich weiter intensiv mit ProSiebenSat.1 und auch mit MFE austauschen und Sie dazu auf dem Laufenden halten.
ORH / Infotag Lokal-TV im Landtag
Wie Sie wissen, hat der Oberste Bayerische Rechnungshof (ORH) die BLM in den letzten zweieinhalb Jahren geprüft. Nun liegt dem Verwaltungsrat der Entwurf der Prüfmitteilung zur Stellungnahme vor.
Im Großen und Ganzen wurden laut der Prüfmitteilung keine Anhaltspunkte für Unwirtschaftlichkeit bei der Landeszentrale gefunden. Es gibt jedoch folgende Kritikpunkte, zu denen ich hier kurz Stellung nehmen möchte:
- Der ORH stellt in seiner Prüfmitteilung die besondere Rolle der Landeszentrale im Vergleich zu den anderen Medienanstalten in Frage.
Dazu nur so viel: Die Besonderheit der Landeszentrale, dass Rundfunk in Bayern nur in öffentlicher Verantwortung und Trägerschaft betrieben werden darf, ist in Art. 111a Bayerische Verfassung eindeutig definiert. Diese besondere Rolle der BLM hat auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof mehrfach bestätigt.
- Der ORH kritisiert, dass die Gehälter in der Landeszentrale zu hoch seien.
Aus Sicht der Landeszentrale sind die Gehälter angemessen. Das ist wichtig, denn nur so können wir uns auf dem angespannten Bewerbermarkt behaupten. Schon mit den aktuellen Gehaltseinstufungen ist das nicht immer einfach.
- Der ORH sieht die Lokal-TV-Förderung kritisch.
Wir müssen nicht drumherum reden: Ohne Förderung gäbe es kein Lokal-TV in Bayern. Doch das lokale Fernsehen ist in diesen globalen und digitalen Zeiten als Berichterstatter vor der Haustür und als verlässliches Vertrauensmedium auf Augenhöhe aus Sicht der Landeszentrale unverzichtbar, das hat der die Landeszentrale in ihrem Lokal-TV-Konzept 2025 ausführlich begründet. Die Frage ist daher ganz generell, ob es dem ORH zusteht, den politischen Willen, Lokal-TV zu fördern grundsätzlich in Frage zu stellen.
Erfreulich: Wir hatten Ende April im Landtag einen Infotag der bayerischen Lokalsender, in dem ich mit vielen Abgeordneten sprechen konnte. Fazit: Die Unterstützung ist größer denn je und geht durch alle Fraktionen.
Rückblicke
Ich möchte von drei vergangenen Veranstaltungen berichten, die mir persönlich thematisch sehr wichtig sind.
Media for You – Career-Erlebnismesse in Nürnberg
Es ist uns als BLM sehr wichtig, ganz bewusst mit unseren Themen auch in andere Regionen Bayerns zu gehen. Gerade auch Nürnberg (Stichwort Lokalrundfunktage, dazu komme ich später) ist ein wichtiger Standpunkt. Deshalb freue ich mich sehr, dass am 26. April 2024 die Career-Erlebnismesse „Media For You“ (organisiert von Start Into Media, der Ausbildungs-Initiative der Medien.Bayern) erstmals in Nürnberg stattgefunden hat. Ich habe es mir nicht nehmen lassen, mir das Ganze persönlich anzuschauen.
Insgesamt 33 Medienhäuser und Ausbildungsinstitutionen präsentierten sich dem Publikum aus Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden in Workshops, an Stationen zum Mitmachen und auf der Bühne. So konnten Interessierte in verschiedene Medienberufe „hineinschnuppern“ und auch ganz praktische Medienskills – von „Wie spricht man eine Moderation ein?“ bis zu „Wie funktioniert eine Slow-Motion Aufnahme?“ – erlernen.
Insgesamt registrierte die Veranstaltung rund 500 interessierte Teilnehmende und durchweg positive Rückmeldungen – ein schöner Erfolg!
Rechtssymposium
40 Jahre privater Rundfunk, 75 Jahre Grundgesetz und damit 75 Jahre Rundfunkfreiheit – für die Landeszentrale und das Institut für Urheber- und Medienrecht (IUM) waren das gleich drei gute Gründe, im Rahmen ihres gemeinsamen Rechtssymposiums am 19. April deutlich zu machen, wie Regulierung Rundfunkfreiheit sichert.
Ich weiß nicht wie es Ihnen geht – ich persönlich habe großen Respekt davor, mit wieviel Weitsicht und Mut man damals Entscheidungen getroffen hat, die bis heute höchst relevant sind. Wir dürfen jedoch angesichts neuer Herausforderungen wie Deep Fakes, Hate Speech und Desinformation nicht selbstzufrieden sein. Die technischen Veränderungen durch den Einsatz künstlicher Intelligenz setzen sowohl die Medien als auch unsere Demokratie unter Druck.
Folgende Eckpfeiler der Medienregulierung waren vor 40 Jahren tragend und sind aus meiner Sicht heute relevanter denn je:
- Die Rolle der Regulierung als Garant für Rundfunkfreiheit. Sie schafft die Rahmenbedingungen, die faires und transparentes Handeln aller Medienakteure ermöglicht.
- Das Gebot einer staatsfernen und unabhängigen Medienaufsicht, die föderal organisiert ist. Das bestätigte auf dem Symposium kein Geringerer als der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Dr. Andreas Paulus. Diese Unabhängigkeit schützt nicht nur die Demokratie, sondern muss auch in der aktuellen Diskussion um den AI-Act berücksichtigt werden.
- Die Sicherung der Medienvielfalt. Es muss diskutiert werden, wer die meinungsmächtigen Akteure sind und welche neuen Ansätze zur Vielfaltssicherung es braucht, um die Meinungspluralität in unserer Demokratie zu schützen.
Mein Fazit der Veranstaltung: Auch, wenn die medienpolitischen Ziele die gleichen sind wie vor 40 Jahren: die Instrumente müssen deutlich nachgeschärft werden. Insbesondere der Grundsatz der Staatsferne ist wichtiger denn je – vor allem angesichts hybrider Bedrohungen aus dem Ausland. Verändertes Mediennutzungs- und Informationsverhalten zwingen zudem dazu, das Medienkonzentrationsrecht neu zu denken. Und bei allem Bestreben, die Medienregulierung durch (europäische) Zentralisierung durchsetzungsstärker zu machen – Effizienz und Sicherung von Medienvielfalt dürfen dabei nicht unter die Räder kommen.
FT Jugend- und Nutzerschutz „Diskriminierung in den Medien“
„Wir haben was dagegen!“ Unter diesem Motto ging es vergangene Woche auf der BLM-Fachtagung Jugendschutz und Nutzerkompetenz um Diskriminierung in den Medien und was man dagegen tun kann.
Denn Tatsache ist: Die Radikalisierung in Teilen unserer demokratischen Gesellschaft ist erschreckend – vor allem im Netz, aber auch auf der Straße. Einfach Wegschauen ist keine Option. Die Folgen: Die Meinungsvielfalt wird eingeschränkt und der Widerstand in Worten und Taten nimmt ab. Das dürfen wir als Medienaufsicht nicht tolerieren. Und vor allem: Wir dürfen uns auch nicht einschüchtern lassen von extremistischen Kräften, die sich weltweit vernetzen, Menschen diskriminieren und Meinungen manipulieren.
Mir ist es wichtig, dass wir als BLM hier nicht nur anprangern, sondern ganz konkret tätig werden.
- Mit einer konsequenten Jugendschutzaufsicht im Netz und Fallzahlen, die ohne die Nutzung von KI in der Aufsicht so nicht möglich wären.
- Mit Kooperationen zur konsequenten Strafverfolgung im Rahmen unserer Initiative „Justiz und Medien - konsequent gegen Hass“, gemeinsam mit dem Justizministerium, oder mit der Meldestelle REspect.
- Mit Medienkompetenz-Vermittlung, die schon im Kindergarten beginnt. Denn frühe Aufklärungsarbeit stärkt einen verantwortungsbewussten Umgang mit Medien.
Ich bedanke mich beim Vorsitzenden des Medienrats, Walter Keilbart, der auf dem Abschlusspodium der Veranstaltung mitdiskutiert hat, und allen Medienrätinnen und Medienräten, die die Fachtagung oder das Rechtssymposium besucht haben.
Hinweis neue BLM-Publikationen
Obacht – Aus aktuellem Anlass möchte ich kurz auf die neue Ausgabe von OBACHT!, dem digitalen Werbemagazin der BLM, hinweisen. Es beschäftigt sich diesmal – kurz vor der Europawahl im Juni und den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im September – mit den Regelungen für Wahlwerbung. So gibt OBACHT! im Superwahljahr 2024 wichtige Hinweise, wie Meinungsäußerungen von Politikerinnen und Politikern in Rundfunkspots, bei Verbreitung gegen Bezahlung oder im Auftrag Dritter offenzulegen und transparent zu machen sind. OBACHT! ist auf der Website der BLM kostenfrei abzurufen.
Medienkompetenz-Clips – Hinweisen möchte ich Sie auch auf neue Medienkompetenz-Clips, die wir online gestellt haben. Unter dem Motto „How2ActOnline“ greifen wir darin Inhalte von Digital Nudging bis Verschwörungsmythen auf, mit denen sich Jugendliche und junge Erwachsene bei ihrer digitalen Mediennutzung tagtäglich konfrontiert sehen. In einem digitalen Format – damit die Medienkompetenz auch ankommt. Lehrkräfte und weitere Multiplikatoren, die sich mit jungen Menschen im Unterricht, in Workshops oder Beratungsgesprächen zu medienpädagogischen Themen auseinandersetzen, können die Clips kostenfrei einsetzen. Den Link auf die Clips leiten wir Ihnen im Nachgang zur Sitzung weiter. Wir freuen uns, wenn Sie die Clips weiterempfehlen.
Ausblicke
Auf zwei kommende Veranstaltungen möchte ich Sie noch hinweisen:
Übergabe 1.500.000. Urkunde Medienführerschein Bayern
Zwölf Jahre hat es gedauert, bis wir im Sommer 2022 den millionsten Medienführerscheinen in Bayern vergeben konnten – bis zur 1,5 Millionsten Medienführerschein-Urkunde sind es dann nur noch zwei Jahre gewesen: Eine tolle Steigerung! Vielleicht ist dieser Erfolg auch der Grund dafür, warum es sich unser Ministerpräsident Dr. Markus Söder wieder nicht nehmen lässt, diese besondere Urkunde an der Wilhelm-Löhe-Schule am 14. Juni in Nürnberg persönlich zu überreichen.
Die prominente Besetzung dieses Termins ist eine wichtige Anerkennung der wertvollen und erfolgreichen Arbeit unserer BLM Stiftung Medienpädagogik Bayern und freut mich sehr!
Lokalrundfunktage Nürnberg
Herzliche Einladung an Sie alle auch heuer wieder zu den Lokalrundfunktagen in Nürnberg. Die Branche trifft sich diesmal schon Ende Juni – am 25./26.06 im NCC Mitte.
Neu ist in diesem Jahr zum Beispiel eine Kooperation mit LFK Baden-Württemberg: Erstmals engagiert sich die Landesmedienanstalt bei den Lokalrundfunktagen mit einem eigenen Panel und Stand. Ziel ist es, die Lokalrundfunktage als zentrale Veranstaltung für Lokale im deutschsprachigen Raum zu positionieren.
KI ist natürlich auch auf den #LRFT24 das Thema der Stunde. Auswirkungen und Chancen werden in vielen Panels besprochen. So auch beim Panel des Nachhaltigkeitspakts Medien, der sich gerade über Bayern hinaus geöffnet und seinen Leitfaden um das zentrale Thema Künstliche Intelligenz erweitert hat. Entscheidend bleibt aber für die Zukunft gerade von Lokalradio: Talente, die dem Radio das Herz geben, das vielen Angeboten im Internet fehlt!
Dass die Lokalrundfunktage ein Treffpunkt großartiger und kreativer Menschen sind, wird in Nürnberg jedes Jahr wieder aufs Neue deutlich – sei es bei der Verleihung der BLM-Preise oder beim Medienfest am Abend. Ich freue mich, viele von Ihnen dort zu sehen!