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Positionen & Reden

Statement des Vorsitzenden der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, aus Anlass der konstituierenden Sitzung der KJM am 2. April 2003 in Erfurt

02.04.2003 | P&R

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

mit dem Inkrafttreten des „Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien“ sowie der heutigen Konstituierung der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) findet eine fast zweieinhalb Jahre andauernde intensive Diskussion über eine Reform des Jugendschutzes in Deutschland ihren Abschluss: Dabei ging es einerseits um die Novellierung des Jugendschutzgesetzes des Bundes und andererseits um die Novellierung des Jugendmedienschutzes in den elektronischen Medien, der im Zuständigkeitsbereich der Länder liegt. Während das Jugendschutzgesetz (JuSCHG) bereits im Juni vergangenen Jahres vom Bundestag verabschiedet wurde, haben sich die Bundesländer im August auf einen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag geeinigt. Beide Regelwerke, Bundesgesetz und Länderstaatsvertrag, sind gestern, also am 1. April 2003, in Kraft getreten.

Mit der Reform des Jugendmedienschutzes wird der zunehmenden Konvergenz der Medieninhalte Rechnung getragen. Damit wird verhindert, dass gleiche Inhalte unterschiedlichen Gesetzen unterliegen, wie das bisher der Fall war. Das bedeutet nicht zuletzt eine stärkere Kontrolle für den Bereich des Internets. Zudem werden im Rahmen der Reform die verschiedenen Zuständigkeiten, die derzeit auf die Landesmedienanstalten (für den Rundfunkstaatsvertrag), auf die Obersten Landesjugendbehörden, jugendschutz.net (für den Mediendienste-Staatsvertrag) und den Bund (für das Teledienste-Gesetz) verteilt sind, gebündelt und zusammengeführt. Das wichtigste Ziel des JMStV ist, die Effektivität des verfassungsrechtlich begründeten Jugendschutzes zu verbessern. Dabei zielt das Gesetz auf eine regulierte Selbstregulierung. Die Sicherung des Jugendmedienschutzes ist aber nicht der alleinige Gegenstand des Staatsvertrages. Das wird in der Langfassung deutlich, in der es heißt "Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien".

Künftig soll die heute konstituierte Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und die von ihr anerkannten Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Umsetzung des Staatsvertrages im Fernsehen und im Internet sorgen. Die KJM besteht aus sechs Vertretern der Landesmedienanstalten sowie aus vier Mitgliedern, die von den Obersten Jugendschutzbehörden der Länder benannt wurden und zwei Mitgliedern, die vom Bund benannt wurden. – Die namentliche Zusammensetzung können Sie der Pressemitteilung entnehmen.

Die KJM zertifiziert die Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle und erstellt Satzungen und Richtlinien, die von den Selbstkontrolleinrichtungen beachtet werden müssen; z.B. zur Festlegung der Sendezeit für Filme, zu Ausnahmen von FSK-Bewertungen oder über die Festlegung der Verteilung der Prüfverfahren. Die Landesmedienanstalten wiederum erlassen u.a. Jugendschutzrichtlinien, Satzungen für die Verschlüsselung und Vorsperrung von digitalen Fernsehprogrammen oder zur Genehmigung von Jugendschutzprogrammen für das
Internet. - Um die Anerkennung durch die KJM zu erhalten, müssen die Organe der Selbstkontrolle bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dies sind etwa Vorgaben für die Prüfer, die einen "wirksamen Kinder- und Jugendschutz" gewährleisten oder ihre "unabhängigen und sachkundigen Gutachter" auch aus gesellschaftlichen Gruppen zu rekrutieren. In diesem Rahmen, den die KJM vorgibt, werden dann der Selbstregulierung deutlich mehr Kompetenzen übertragen als bisher. Beschlüsse der Selbstkontrolleinrichtungen bezüglich der Ausstrahlung von Inhalten können von der KJM nur korrigiert werden, wenn ein bestimmter Beurteilungsspielraum überschritten ist.

Die Landesmedienanstalten begrüßen dieses neue Modell für den Jugendmedienschutz. Erstmals wird eine gemeinsame Aufsicht für Rundfunk und Internet herbeigeführt und eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen staatlich eingerichteter Aufsicht und von ihr anerkannter, unabhängiger Selbstkontrolle ermöglicht. Gleichzeitig werden verschiedene jugendschutz-relevante Institutionen wie die Landesmedienanstalten, jugendschutz.net und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien miteinander vernetzt. Diese Institutionen bringen vielfältige Erfahrungen im Bereich des Jugendschutzes mit, die jetzt in dem neuen Modell gebündelt werden. Zudem halte ich es für sehr wichtig, dass die Gremien der Landesmedienanstalten, und über die Gremien die gesellschaftlich relevanten Gruppen, in das neue Modell einbezogen werden. Die KJM hat die Pflicht, die Gremien fortlaufend über ihre Arbeit zu unterrichten. Außerdem werden die Gremien Satzungen und Richtlinien beschließen. Damit wird gewährleistet, dass der Jugendmedienschutz ein wichtiges gesellschaftliches Thema bleibt und breit diskutiert wird.

Der JMStV stärkt aber vor allem auch die Verantwortung der Anbieter von Rundfunk und Telemedien. Eine entscheidende Frage wird sein, wie die Unternehmen und ihre Selbstkontrollorgane diese Verantwortung wahrnehmen. Die neu definierte Zusammenarbeit bedeutet für alle Beteiligten nicht nur eine große Chance, sondern auch eine große Herausforderung. Ein potenzielles Risiko wurde auch vom Gesetzgeber gesehen, deshalb sollen sowohl der JMStV als auch das Jugendschutzgesetz nach fünf Jahren überprüft werden. Wörtlich heißt es in einer Protokollnotiz der Länder: "Die Überprüfung ist insbesondere nach den Kriterien vorzunehmen, inwieweit mit der Neuregelung eine Verbesserung des Jugendschutzes erreicht wurde und ob die neue Struktur eine wirksame und praxisgerechte Aufsicht gewährleistet."

Trotz der vorhandenen Risiken bin ich optimistisch, dass sowohl die Unternehmen als auch die Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle konstruktiv an diesem neuen Modell mitarbeiten werden. Noch als Vorsitzender der Gemeinsamen Stelle Jugendschutz, Programm, Medienkompetenz und Bürgermedien (GSJP) der Landesmedienanstalten habe ich in den letzten Wochen gemeinsam mit meinen Kollegen zahlreiche Gespräche geführt mit Fernsehveranstaltern, dem Verband der privaten Rundfunkunternehmen VPRT, mit Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle und Internet Anbietern. Diesen Gesprächen habe ich entnommen, dass sich die Fernsehveranstalter prinzipiell zu diesem Modell bekennen und dass es auch von der großen Mehrheit der Internet-Branche ernsthafte Bemühungen gibt die Anforderungen des JMStV zu erfüllen.

Bei aller Sympathie für das neue Modell bleibt für mich jedoch ein Wermutstropfen: Das Nichteinbeziehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Internet und Fernsehen unterliegen jetzt gleichen Spielregeln, aber nicht Fernsehen und Fernsehen. Letztlich bedeutet das eine Diskriminierung der privaten Rundfunk- und Diensteanbieter. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es in Zukunft zu einer Einbeziehung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kommen wird. Unterstützt wird dieses Anliegen durch die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen, die in einer Protokollerklärung zum JMStV eben dieses fordern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

da es nach dem JMStV keine Übergangsfrist für die Anwendung des neuen Rechts gibt, liegt in den kommenden Wochen und Monaten sehr viel Arbeit vor der Kommission und den kooperierenden Einrichtungen, um die nun geltenden Regeln möglichst schnell zur Anwendung zu bringen. Wir alle werden uns mit großem Einsatz der Herausforderung des neuen Jugendschutzmodells stellen. Wir setzen darauf, dass auch die Veranstalter und Anbieter und ihre Selbstkontrolleinrichtungen ihre neu definierte Verantwortung für den Jugendschutz ernst nehmen und ihren Teil dazu beitragen, dass der Jugendschutz durch dieses neue Modell gestärkt wird.