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Begrüßung von Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring zum 10. Symposion Medienrecht der BLM
22.10.2007 | P&R 2007
Meine sehr verehrten Damen und sehr geehrte Herren,
gerne eröffne ich das 10. BLM-Symposion Medienrecht, zu dem ich Sie alle herzlich willkommen heiße. Besonders begrüßen darf ich Herrn Dr. Karl Huber, den Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts München. Herr Dr. Huber, es ist uns eine Ehre, dass Sie regelmäßig die medienrechtlichen Symposien der Landeszentrale besuchen. Stellvertretend für die Richterinnen und Richter aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit begrüße ich Herrn Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Albrecht von Fumetti. Frau Martina Maschauer begrüße ich in ihrer Eigenschaft als (neue) Rundfunkreferentin der Bayerischen Staatskanzlei heute das erste Mal in diesem Kreis. Zusammen mit Frau Ministerialrätin Monika Paas von der Landeskartellbehörde heiße ich Sie stellvertretend für alle Behördenvertreter willkommen. Ich freue mich, dass Herr Dr. Reichert, Mitglied des Verwaltungsrats der Landeszentrale, heute unter uns ist und begrüße mit ihm den stellvertretenden Direktor der rheinland-pfälzischen Landesmedienanstalt, Herrn Harald Zehe, und die stellvertretende Direktorin der Landesmedienanstalt Sachsen-Anhalt, Frau Verena Schneider.
Die zahlreichen Vertreter aus Wissenschaft und Praxis heiße ich herzlich willkommen und darf stellvertretend für alle die Referenten des heutigen Tages – in der Reihenfolge ihrer Referate - begrüßen: Herrn Prof. Dr. Stefan Storr von der TU Dresden, Herrn Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer von der Universität Köln, Herrn Assistant Professeur Dr. Marc D. Cole von der Universität Luxemburg und last but not least Herrn Dr. Johannes Lübking von der EU-Kommission; herzlichen Dank, dass Sie zu uns gekommen sind.
Das BLM-Symposion Medienrecht 2007 steht unter dem provokant anmutenden Titel „Freiheitssicherung durch Regulierung: Fördert oder gefährdet die Wettbewerbsaufsicht publizistische Vielfalt im Rundfunk?“
Der erste Teil „Freiheitssicherung durch Regulierung“ beschreibt dabei lediglich einen Ausschnitt aus der bundesverfassungsgerichtlichen Konzeption der ausgestaltungsbedürftigen Rundfunkfreiheit: Öffentlich-rechtliche Aufsicht über private Rundfunkveranstalter ist Teil der notwendigen Ausgestaltung wie sie das Bundesverfassungsgericht sieht. Zuständige Aufsichtsbehörden sind die grundrechtssichernden Landesmedienanstalten.
In jüngerer Zeit traten immer häufiger Kartellbehörden mit Entscheidungen hervor, die von teils grundlegender Bedeutung für die Entwicklung der Rundfunklandschaft waren oder noch sind. Ergänzen und entlasten oder begrenzen und belasten sie die originäre Rundfunkregulierung?
Eine erste prominente Kartellamtsentscheidung betraf die Frage der Zusammenarbeit zwischen KirchGruppe und RTL zur Entwicklung des digitalen Fernsehens. Aufmerksam haben wir Entscheidungen zur Strukturierung der Kabelnetzbetreiber in Deutschland verfolgt und uns über die Entscheidung gegen die mehrheitliche Übernahme der ProSiebenSat. 1 Media AG durch die Axel Springer AG gewundert. Zuletzt griff das Bundeskartellamt in die unter dem Stichwort „Entavio“ vor kurzem gestarteten Versuche der Astra-Gruppe ein, eine neue digitale Empfangsplattform mit neuen Vermarktungsmöglichkeiten für Satellitenhaushalte zu schaffen.
Sicherlich haben Sie die jüngsten Entwicklungen um die Vergabe der Senderechte für die Spiele der deutschen Fußballbundesliga verfolgt, die unter der Überschrift kommuniziert wurden, „Leo Kirch ist auf die Medien-Bühne zurückgekehrt“. Es geht dabei um einen Auftrag der deutschen Fußball-Liga zur Vermarktung der Senderechte ab 2009. Bereits am 12. Oktober berichtete die FAZ unter Berufung auf eine Kartellamtssprecherin, dass das Bundeskartellamt dieses Geschäft genauer untersuchen werde.
Um Fragen zuvor zu kommen: Ich will nicht in Zweifel ziehen, dass Rundfunkunternehmen als Marktteilnehmer die wirtschaftsrechtlichen Regeln unserer Rechtsordnung beachten müssen. Auch in der dualen Rundfunkordnung ist die Erhaltung marktwirtschaftlicher Mechanismen wichtig. Entscheidend erscheint mir aber, dass Rundfunk nicht nur Wirtschaftsfaktor, sondern vor allem auch ein Kulturgut ist.
Obendrein kommt dem Rundfunk für das Funktionieren des demokratischen Prinzips in einer Wissens- und Mediengesellschaft zentrale Bedeutung zu. Vor allem deshalb unterliegt Rundfunk besonderen – verfassungsrechtlichen – Zielsetzungen und Anforderungen.
Zweifellos benötigen auch Kunst und Kultur wirtschaftliche Grundlagen. Unsere Verfassung sieht für die Gestaltung des Zusammenwirkens privater Wirtschaftssubjekte das Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft vor. Der freie Wettbewerb ist das prinzipielle Ordnungsprinzip für die private wirtschaftliche Betätigung und soll die entscheidende Triebfeder für die Erhaltung der Innovationskraft und Durchsetzungsfähigkeit der einzelnen Marktteilnehmer sein. Diese Grundentscheidung der Verfassung steht nicht allein und ist anderen Grundentscheidungen der Verfassung nicht übergeordnet. Zielkonflikte sind ggf. im Wege praktischer Konkordanz zu einem Ausgleich zu bringen.
Zu den zentralen und unverzichtbaren Aussagen der Verfassung gehört die Grundentscheidung, dass die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer Rechtsstaat sein soll. Grundlage einer funktionierenden Demokratie ist die verantwortliche Wahrnehmung der demokratischen Rechte und Pflichten. Dies setzt informierte Bürger voraus. Der freien und möglichst umfassenden öffentlichen und individuellen Meinungsbildung dient der Rundfunk, der aufgrund medienspezifischer Eigenarten vom Bundesverfassungsgericht nicht nur als Medium, sondern auch als eminenter Faktor der Meinungsbildung erkannt wurde.
Das konnten wir zuletzt im zweiten Rundfunkgebührenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. September 2007 nachlesen. Und weil der Rundfunk, vornehmlich der Fernsehrundfunk, durch das Zusammentreffen seiner unschlagbaren Kombination von höchster Aktualität und größtmöglicher Breitenwirkung mit der Suggestivkraft der Töne und bewegten Bilder, die den Eindruck großer Authentizität vermitteln und dem Rezipienten ein Augen- und Ohrenzeugengefühl geben, anderen Medien, insbesondere Presseprodukten in seiner Wirkung so überlegen ist, hält das Bundesverfassungsgericht eine gesetzliche Ordnung und Zügelung des unvergleichlichen Einflusspotenzials für unverzichtbar. Rundfunk darf nicht in die Hände des Staates oder Einzelner bzw. einzelner Gruppen gelangen. Dem freien Spiel der Kräfte, selbst bei unterstelltem Funktionieren von Marktmechanismen, ist nicht zuzutrauen, die erforderliche Meinungsvielfalt im Rundfunk ohne Regulierung zu generieren. Rundfunk steht in öffentlicher Verantwortung. Dafür, dass er ihr gerecht wird, muss der Gesetzgeber durch materielle und prozedurale Regeln sorgen. Das Funktionieren dieser Rundfunkordnung muss durch eine begleitende Aufsicht sichergestellt werden. Die gesetzgeberische Verantwortung trägt der Landesgesetzgeber, wie wir alle seit dem ersten Fernsehurteil wissen.
In diesem verfassungsrechtlich schönen Modell einer funktionierenden Rundfunkordnung, in der Gesetzgeber und Regulierer ihre Aufgaben erfüllen und die Rundfunkveranstalter zum Gemeinwohl beitragen, muss auch über die wirtschaftlichen Grundlagen gesprochen werden.
Bei den herkömmlichen Landesrundfunkanstalten ist die Sache einfach: Sie haben einen Finanzierungsgewährleistungsanspruch gegenüber dem Staat bzw. dem staatlichen Gesetzgeber. Der muss sicherstellen, dass die Rundfunkanstalten über ausreichende Mittel verfügen, um ihren Funktionsauftrag unter dem Schutz der Rundfunkfreiheit auf der Basis der gesetzlichen Bestimmungen auszuüben. Bei den privaten Rundfunkveranstaltern ist die Sache so einfach nicht. Ihnen muss der Gesetzgeber Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen, in denen sie als private Wirtschaftsunternehmen ausreichende Finanzierungsquellen erschließen können, um dauerhaft Rundfunk zu veranstalten. Eine gesetzliche Rundfunkordnung verstößt dann gegen die Verfassung, wenn sie privates Rundfunkengagement unter so erschwerten Bedingungen zulässt, dass eine dauerhafte Rundfunkveranstaltung nicht sinnvoll oder befriedigend möglich ist.
Im Angesicht der beiden Rundfunkgebührenentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kann nicht bestritten werden, dass die Finanzierungsgrundlagen grundsätzlich zur Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit gehören und damit auch Bestandteil der Rundfunkordnung sind. Radikale Puristen unter den Rundfunkrechtlern vertreten deshalb die Auffassung, Wettbewerbsaufsicht könne a priori im Rundfunksektor keine Funktion beanspruchen. Die Landeszentrale hat seit Langem den Dialog mit den Kartellbehörden geführt und erst gestern wieder auf der Leitungsebene einen Informationsaustausch mit der bayerischen Landeskartellbehörde durchgeführt.
Denn wir erkennen, wie bereits gesagt, dass Rundfunkunternehmen als Marktteilnehmer nach den Spielregeln des Wirtschaftsrechts handeln müssen. Umso größeres Gewicht gewinnt die Abgrenzung zwischen Rundfunkorganisation und Marktteilnahme, die die Trennlinie zwischen dem Geltungsbereich des Rundfunkrechts und der Rundfunkregulierung einerseits sowie des Wirtschaftsrechts und der Wettbewerbsaufsicht andererseits markiert.
Ich glaube sagen zu können, in Bayern haben wechselseitige Information und Konsultation der Rundfunk- und der Wettbewerbsaufsicht zu einem Zustand – verzeihen Sie mir den belasteten Ausdruck – friedlicher Koexistenz geführt. Die Zeiten sind überwunden, in denen Wettbewerbshüter die Zusammenarbeitsnotwendigkeit von fünf Anbietern auf einer Splitting-Frequenz unter der abstrakten Fragestellung prüften, ob auch einer der Anbieter die Frequenz alleine betreiben könnte. Es ist anerkannt, dass kartellrechtliche Prüfungen am Ergebnis rundfunkrechtlicher Organisationsentscheidungen anknüpfen müssen. Im Unterschied zu anderen Landesmediengesetzen äußert sich das bayerische nicht zu der Frage, ob rundfunkrechtliche Organisationsentscheidungen auf kartellrechtliche Vorfragen Rücksicht nehmen müssen. Soweit im Zusammenhang der Beteiligung von Zeitungsverlegern an bestehenden Fernsehanbietern oder bei der Bildung von Funkhäusern solche Fragen auftraten, konnten sie in der Praxis bisher – und das schloss in der Vergangenheit eine mit Blick auf die bayerische Rundfunklandschaft kooperative Verwaltungspraxis der 6. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts ein – befriedigend gelöst werden, ohne dass die Grundsatzfrage abschließend entschieden werden musste. Sie mag auch heute dahingestellt bleiben.
Unverkennbar ist die Entscheidung, welche natürliche Person oder Personenvereinigung, ggf. auch in Gestalt einer juristischen Person, sich an der Willensbildung durch Rundfunk beteiligen darf oder nach dem Willen des Medienrats der Landeszentrale beteiligt werden soll, eine originäre Frage der Rundfunkorganisation. Im Falle erstmaliger Rundfunkzulassungen ist das augenfällig. Macht es wirklich einen rechtlich relevanten Unterschied, wenn sich die Frage bei einer Genehmigungsverlängerung stellt oder wenn sich im laufenden Genehmigungszeitraum zusätzliche Gesellschafter an einem Veranstalter beteiligen wollen oder Gesellschafter eines Veranstalters ausgetauscht werden sollen? Kommt es für die Frage, wer sich an der Willensbildung durch Rundfunk beteiligen darf, kann und soll auf die Frage an, aus welchen Motiven sich jemand beteiligen will? Ob es in erster Linie publizistische oder wirtschaftliche Motive sind? Die Tatsache, dass sich im Fall Springer/ProSiebenSat.1 die Sicht der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Rundfunkbereich (KEK) und des Bundeskartellamts im Ergebnis deckten, mag das praktische Problem entschärfen – oder verschärft haben, das werden uns die Gerichtsverfahren vermutlich zeigen –, beantwortet aber die rechtliche Grundsatzfrage nicht.
Noch schwieriger wird die Sache, wenn Rundfunkunternehmen zwar nach Wünschen und Vorstellungen der Rundfunkaufsicht organisiert sind und am Markt auftreten, zu ihrer Tätigkeit und ihrem Fortbestand aber auf essentielle Grundvoraussetzungen angewiesen sind.
Sind dann Rundfunkgesetzgeber und Rundfunkregulierung für die Regelung und Ordnung der essentiellen Voraussetzungen für die Rundfunkveranstaltung im Rahmen der Annexkompetenz zuständig und wie weit reicht eine solche Annexzuständigkeit?
Obwohl die Nutzung von Übertragungseinrichtungen essentielle Vorbedingung für die Rundfunkveranstaltung ist, weil ohne funktechnische Verbreitung Rundfunk begrifflich gar nicht vorliegt, sind etwa Fragen der Frequenzverwaltung und Zuteilung nicht landesrechtlich, sondern bundesrechtlich geregelt. Unbestreitbar ist der Bund nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes für das Recht der Telekommunikation zuständig. Er hat auch eine Zuständigkeit für das Wirtschaftsrecht. Bleiben Bundesnetzagentur, Bundeskartellamt und die anderen Akteure im Spiel generell zuständig, dann stellt sich die Frage welche Rücksichtnahmeverpflichtungen sie erfüllen müssen, um den Gebrauch der Rundfunkfreiheit nach rundfunkrechtlichen Vorgaben zu ermöglichen und nicht zu behindern.
Im Rundfunkstaatsvertrag haben die Länder das Problem dadurch zu lösen versucht, dass sie den Landesmedienanstalten die Verpflichtung auferlegt haben, mit dem Bundeskartellamt in geeigneter Form zusammenzuarbeiten (§ 39 a RStV). Spiegelbildlich enthält § 50 c Abs. 2 GWB die Verpflichtung des Bundeskartellamts, mit Landesmedienanstalten zusammenzuarbeiten. In der Praxis funktioniert das bisher gar nicht gut.
Auch die in § 39 a RStV einerseits und § 123 Abs. 2 TKG andererseits vorgeschriebene Zusammenarbeit zwischen Landesmedienanstalten und Bundesnetzagentur ist hier und da noch ausbaufähig, die ausreichende Rücksichtnahme auf Belange des Rundfunks nicht ohne weiteres gesichert.
Da die medienrechtlichen Symposien der BLM dokumentiert werden, hoffe ich sehr, dass von unserer heutigen Veranstaltung Impulse ausgehen, die nicht auf den Kreis der Teilnehmer beschränkt bleiben und zum Beispiel auch das Bundeskartellamt erreichen. Leider konnten wir keinen Vertreter der für Medien zuständigen 6. Beschlussabteilung dafür gewinnen, am heutigen Termin als Referentin oder Referent aufzutreten; es mögen Terminkollisionen dafür verantwortlich sein. Umso mehr danke ich noch einmal Herrn Dr. Lübking von der EU-Kommission, Generaldirektion Wettbewerb, dafür, dass er unsere Veranstaltung durch seine wettbewerbsrechtliche Praktikersicht bereichern und uns in der Diskussion zur Verfügung stehen wird.
Die Landeszentrale hat zum heutigen Symposion jüngere Wissenschaftler als Referenten eingeladen um die alte Grundsatzfrage des Verhältnisses von Rundfunkrecht und Wirtschaftsrecht anhand der aktuellen Entwicklungen mit neuem Schwung zu diskutieren. Ich freue mich auf die folgenden Vorträge und die anschließende Diskussion und wünsche der Veranstaltung einen guten und interessanten Verlauf.