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Positionen & Reden

Grußwort zu den MEDIENTAGEN MÜNCHEN 2007 von Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring

07.11.2007 | P&R 2007
Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der MEDIENTAGE MÜNCHEN GmbH und Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM)
 
- ES GILT DAS GESPROCHENE WORT -

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
 
ich heiße Sie hier im Internationalen Congress Center der Messe München zu den 21. MEDIENTAGEN herzlich willkommen. Sie stehen unter dem Motto „Media Yourself - Wie das Internet Medien und Gesellschaft verändert“. Eine der großen Veränderungen im Zusammenhang mit diesen 21. MEDIENTAGEN ist, dass wir heute hier zum ersten Mal den neuen Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Günther Beckstein begrüßen dürfen. Noch einmal ein herzliches Willkommen an Sie, Herr Ministerpräsident. Sie können sich vorstellen, dass wir alle mit großem Interesse Ihrer medienpolitischen Grundsatzrede entgegensehen. - Welche Veränderungen in der Zukunft zu erwarten sind, haben wir gerade im MEDIEN­TAGE-Trailer gesehen. Ich muss gestehen, dass ich ganz froh bin, hier nicht die MEDIEN­TAGE 2020 zu eröffnen, weil ich dann nach der Prognose des Films möglicherweise ein Publikum vor mir hätte, das vor allem aus Avataren besteht.
 
Auch ohne Avatare schickt sich das Internet an, die bisherige, leidlich geordnete Medienwelt zu verändern. Dazu drei aktuelle Beispiele: Vor etwa vier Wochen ist die Allensbacher Computer- und Technikanalyse 2007 erschienen, u.a. mit dem Ergebnis, dass für 37 Prozent der 18- bis 39-Jährigen das Internet inzwischen die wichtigste Informationsquelle darstellt. Im gleichen Alterssegment lesen annähernd 30 Prozent keine Tageszeitung mehr und auch der Fernsehkonsum geht in den jungen Zielgruppen leicht zurück. - Dass mit den Nutzern auch Werbung und Anzeigen vermehrt in den Online-Bereich abwandern, zeigt das Beispiel Google. Vor gut zwei Wochen hat das Unternehmen seine aktuellen Zahlen für das 3. Quar­tal 2007 vorgelegt. Der Umsatz lag in den drei Monaten Juli bis September bei 4,2 Mrd. Dollar. Das ist eine Steigerung von 57 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr und bedeutet einen Gewinn von 1,1 Mrd. Dollar; ebenfalls eine Steigerung von fast 50 Pro­zent. Auf das gesamte Jahr 2007 hochgerechnet, lässt das einen Gewinn von über 4 Mrd. Dollar erwarten. Diese Zahlen zeigen, dass das Geschäftsmodell von Google, das vor allem auf Anzeigen beruht, derzeit hervor­ragend funktioniert. Dazu kommt jetzt aktuell noch der Einstieg in den mobilen Markt – Nicht bei allen Internet-Unternehmen funktioniert die Online-Werbung. Die äußerst begehrte Webplattform „Facebook“ macht – wie fast alle anderen bekannten Community-Plattformen - nach dreieinhalb Jahren noch keine Gewinne. Dennoch war Microsoft eine Beteiligung von 1,6 Prozent an Facebook aktuell 240 Mio. Dollar wert. Dies lässt auf einen virtuellen Firmenwert von 15 Mrd. Dollar schließen. Einen ähnlichen Börsenwert hat derzeit die Lufthansa. – Ist das nun ein Anzeichen für eine weitere Internet-Blase? Man kommt zumindest nicht umhin festzustellen, dass da, wo die Werbung nicht funktioniert - vielleicht muss man sagen, noch nicht funktioniert - nach wie vor ausgereifte Geschäftsmodelle fehlen.
 
Die Frage nach den Geschäftsmodellen ist ein wichtiges Thema dieser MEDIENTAGE. Daneben gibt es weitere Leitthemen: Wie verändert sich die Mediennutzung durch Social Networks und User Generated Content? Wie machen Medienunternehmen das Internet der zweiten Generation für sich nutzbar? Was sind die Trends in der bereits angesprochenen Online-Werbung? Wann kommt der Durchbruch für IPTV und Mobile Media? Gibt es mehr oder weniger Regulierungsbedarf in der Web-2.0-Welt? - Herausragende Panels sind nicht nur im Zusammenhang mit diesen Fragen traditionell die drei Gipfel-Veranstaltungen. Der medien­politische Gipfel gleich im Anschluss an die Rede des Ministerpräsidenten präsentiert ihnen vier neue Gesichter: neben dem Ministerpräsidenten Herrn Raff, Intendant des Saarlän­dischen Rundfunks und Vorsitzender der ARD, Herrn Börnicke, Vorstands­vorsitzender von Premiere und Herrn von Hammerstein, Vorsitzender der Geschäftsführung von Kabel Deutschland. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen.
Dies gilt selbst verständlich auch für alle anderen Teilnehmer des Mediengipfels, der wieder unter der bewährt souveränen Moderation von Helmut Markwort stattfindet.
 
Der morgige Print-Gipfel wird uns dann zeigen, welche Strategien die Verlagshäuser verfolgen und der Zukunfts-Gipfel am Freitag führt hochkarätige Vertreter der klassischen Medien und des Mediums Internet auf einem Podium zusammen. Hervorheben möchte ich noch unter vielen spannenden Themen das Panel „Crossmediale Plattformen und Regu­lierung“ heute Nachmittag, auf dem wichtige medienpolitische Zukunftsfragen diskutiert werden; das morgige Panel über die Bundesliga-Rechte, das zeitlich nicht besser terminiert sein könnte, die Veranstaltung über die Ergebnisse der Evaluierung des deutschen Jugendschutz­modells und das Panel mit dem programmatischen Titel „Weichenstellung für den deutschen Film“ mit einer Keynote von Staatsminister Bernd Neumann.
 
„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach Brüssel und Karlsruhe“ ist nicht nur das Thema eines medienpolitischen Panels heute Nachmittag sondern wird uns sicher bereits beim anschließenden Mediengipfel prominent beschäftigen. Das zweite Gebührenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. September ist auf fast durchweg positive Resonanz gestoßen. Vor allem die Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wirkten fast schon euphorisch. Dabei wurde offensicht­lich ignoriert, dass das Gericht im Zusammenhang mit der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner vorrangigen Finanzierung durch Gebühren u.a. folgendes ausgeführt hat. Ich zitiere: „ Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf der Grundlage des Gebührenaufkommens soll eine weit gehende Abkopplung vom ökonomi­schen Markt bewirken und dadurch sichern, dass sich das Programm an publizistischen Zielen, insbesondere an dem der Vielfalt, orientiert und zwar unabhängig von Einschalt­quoten und Werbeaufträgen“. Und an anderer Stelle heißt es: Es ist den Rundfunkanstalten verwehrt, ihren Programmauftrag, Zitat, „über den Rahmen des Funktionsnotwendigen hinaus auszuweiten“. Dieser Funktionsauftrag muss von den Ländern in einem Staatsvertrag bis spätestens Mai 2009 fixiert werden. Parallel dazu kann man feststellen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Hinblick auf neue Digitalkanäle, Mediatheken und Online-Angebote weiter expandiert bzw. zusätzliche Angebote plant. Das Schlüsselwort im Zusammenhang mit dem Funktionsauftrag ist aber nicht Ausweitung sondern Begrenzung. Dabei geht es überhaupt nicht darum, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von der Digitalisierung abzukoppeln. Um etwa bei Digitalradio und Handy-TV voran zu kommen, brauchen wir auch einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Aus meiner Sicht gibt es durchaus auch gemeinsame Interessen von öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern. Allerdings kommt es immer auf die Gewichtung im dualen System an. Und da wird von den privaten Anbietern eine deutliche und ständig wachsende Schieflage wahrgenommen. Im Übrigen bin ich überzeugt, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst keinen Gefallen tut, wenn er mitten in einem laufenden Findungsprozess weiterhin Fakten schafft, weil das Ganze dann letztlich wieder vor der EU-Kommission landen wird.
 
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem aktuellen Gebührenurteil auch festgehalten, dass beide Säulen des dualen Systems zur Breite und Vielfalt des Programmangebots beitragen. Auch der private Rundfunk hat eine öffentliche Aufgabe. In diesem Zusammen­hang liegt die Frage auf der Hand, ob und inwieweit sich das Engagement von Finanz­investoren auf die Programmqualität privater Anbieter auswirkt. Niemand hat etwas gegen die Renditeorientierung privatwirtschaftlicher Sender. Bei Renditevorgaben von 30 Prozent muss die Frage erlaubt sein, ob darunter nicht zukünftig die Programmqualität leidet. Die Landesmedienanstalten werden im 1. Quartal 2008 ein Gutachten vorlegen, das sich u.a. mit dieser Frage befasst und darüber hinaus mit einem möglichen Regulierungsbedarf.
 
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
bevor ich das Mikrofon gleich an den Bayerischen Ministerpräsidenten übergeben werde, möchte ich es nicht versäumen, den Organisatoren der MEDIENTAGE, allen voran Herrn Kors, Herrn Müller und Herrn Tusch und dem Team der Medientage München GmbH für die Organisation von 95 Panels mit mehr als 500 Referenten und der Medienmesse mit etwa 160 kommerziellen und nicht-kommerziellen Ausstellern zu danken. Mein Dank gilt darüber hinaus der Bayerischen Staatskanzlei für die politische Unterstützung und Förderung. - Allen Besuchern der MEDIENTAGE wünsche ich für die kommenden drei Tage neue, gewinn­bringende Erkenntnisse, spannende Diskussionen und nicht zuletzt auch gute Unterhaltung.