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- 2012
Siegfried Schneider ist Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Medientage München GmbH und Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien
- ES GILT DAS GESPROCHENE WORT! -
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Frau Prof. Dr. Meckel,
sehr geehrter Herr Zeiler,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich darf Sie alle sehr herzlich zur Eröffnung der 26. MEDIENTAGE MÜNCHEN im Internationalen Congress Center der Messe München begrüßen.
Wie jedes Jahr beschäftigen wir uns auch 2012 mit dem Wandel der Medienwelt und den Konsequenzen daraus. Die Vision einer vernetzten, digital geprägten Medienlandschaft, in der die Differenzierung von Mediengattungen nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, ist längst zur Realität geworden.
Das Kommunikations- und Informationsverhalten der Menschen hat sich aufgrund der Vernetzung durch das Internet grundlegend geändert. Informationen sind heute via Tablet oder Smartphone jederzeit und überall verfügbar. Das Netz lässt nicht nur die Grenzen zwischen den einzelnen Mediengattungen wie Print, Fernsehen und Hörfunk verschwimmen, es erschwert auch die Differenzierung zwischen Information und Meinung bzw. zwischen denjenigen, die sie produzieren und denjenigen, die sie konsumieren. Kurz gesagt: Heute kann jeder selbst zum Medienanbieter werden. Gerade deshalb ist es so wichtig, die Medienkompetenz der Nutzer bereits im Schulalter zu stärken, damit Kinder und Jugendliche lernen, zum einen mit der Informationsvielfalt umzugehen und zum anderen auch die Chancen und Risiken zu erkennen.
Vor dem Hintergrund der eben beschriebenen Entwicklung ist nicht nur ein neues Verständnis von Medien in ihrem politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext notwendig, sondern auch eine moderne Medienregulierung. Die Forderung nach einer neuen Medienordnung ist wahrlich nicht neu. Sie wird aber mit jedem Jahr dringlicher. Auch das Motto der MEDIENTAGE MÜNCHEN 2012 unterstreicht die Notwendigkeit zu handeln. Es lautet: „Weichen stellen. Die neuen Gesetze der Medienwelt.“
Die Medienunternehmen haben sich auf den zunehmenden Wettbewerb mit branchen-fremden Playern im internationalen Kontext zum großen Teil bereits eingestellt und neue Geschäftsfelder erschlossen. Sie haben außerdem auf die veränderten Bedürfnisse der Medienkonsumenten reagiert und ihre Angebote erweitert.
Bisher ringt die Medienindustrie allerdings noch darum, für ihre Investitionen den besten Refinanzierungsweg zu finden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Für faire Bedingungen im Wettbewerb von Rundfunk- und Internetakteuren sollte jetzt die Medienpolitik sorgen. Es ist an der Zeit, Antworten auf die Fragen zu finden, die sich durch die „neuen Gesetze der Medienwelt“ ergeben. Diese Welt ist durch die Eckpfeiler Digitalisierung, Globalisierung, Vernetzung und die Mündigkeit der Mediennutzer geprägt. Wer die veränderte Medienwirklichkeit ernst nimmt, muss die Regulierung den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Zwei wichtige Grundsätze sollten dabei aus meiner Sicht die Leitlinie für alle Reformvorhaben sein: Transparenz und Relevanz für die Nutzer.
Klassische Regulierungsansätze, die nach Mediengattungen differenzieren, entsprechen nicht mehr der Medienwirklichkeit, weil das Internet die Grenzen verschwimmen lässt. Die Zugänge zu medialen Inhalten im Internet über Suchmaschinen und soziale Netzwerke werden immer wichtiger. Nicht umsonst stehen derzeit Plattformregulierung, Netzneutralität und die Macht der Suchmaschinen ganz oben auf der medienpolitischen Agenda.
Ich möchte heute dabei ein Thema besonders herausgreifen - das Medienkonzentrationsrecht. Auch hier ist es an der Zeit, die Weichen zu stellen. Die neuen Angebots- und Machtstrukturen und deren Gewicht für die Meinungsbildung werden vom bisherigen fernsehfixierten Konzentrationsrecht im Rundfunkstaatsvertrag nicht mehr vollständig und angemessen erfasst. Genauso wenig sind für den Nutzer Eigentümerstrukturen transparent, die eine Einordnung der entsprechenden Medienangebote ermöglichen.
Ein modernes Medienkonzentrationsrecht sollte das Gewicht und die Bedeutung aller Mediengattungen bei der Meinungsbildung berücksichtigen. Denn nur eine medienübergreifende Perspektive wird dem Informationsverhalten und dem Meinungsbildungsprozess in der vernetzten Medienwelt gerecht. Deshalb sollte neben dem Fernsehmarkt künftig auch die Relevanz von Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Internet stärker in die Messung einbezogen werden. Doch nach welcher Methode soll diese Relevanz gemessen werden?
Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien hat einen MedienVielfaltsMonitor entwickelt, der die geeignete Grundlage für ein neues Medienkonzentrationsrecht bietet. Bewusst hat die BLM dabei auf eine medienübergreifende Perspektive gesetzt. Aus der Verknüpfung der Reichweitenanteile der Medienkonzerne am TV-, Radio-, Print- und Onlinemarkt mit dem jeweiligen, empirisch ermittelten Gewicht dieser Mediengattungen wird ein Gesamtanteil der Medienkonzerne am Meinungsmarkt errechnet.
Nach aktuellen Berechnungen der BLM hat danach die ARD derzeit mit ihren Radio- und TV-Programmen sowie Onlineangeboten einen Anteil von 22,2 Prozent am Meinungsmarkt, gefolgt von Bertelsmann mit 14,2 Prozent, der ProSiebenSat.1 AG mit 8,9 Prozent, der Axel Springer AG mit 8,4 Prozent und dem ZDF mit 7,5 Prozent. Wie Sie sehen, haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten damit rund 30 Prozent Anteil am Meinungsmarkt.
Wir sind uns bewusst, dass neben den publizistisch relevanten Onlinemedien, die in die Berechnung einbezogen sind, auch Suchmaschinen wie Google, Videoplattformen wie YouTube und soziale Netzwerke wie Facebook eine große Bedeutung haben, weil sie den Zugang zu meinungsrelevanten Inhalten beeinflussen können. Deshalb werden die Strukturen und Gewichte im Suchmaschinenmarkt, von Videoplattformen und sozialen Netzwerken im MedienVielfaltsMonitor ergänzend dargestellt.
Dazu nur ein Beispiel: Auch in Deutschland wird die große Mehrzahl der Suchanfragen an Google gerichtet, die durch die Sortierung der Ergebnislisten zur Informationsversorgung und Meinungsbildung der Nutzer beitragen. Welchen Einfluss Suchmaschinen ausüben können, verdeutlicht auch die Studie „Vielfalt im digitalen Medienensemble“ von der Universität St. Gallen, für die Frau Prof. Dr. Miriam Meckel verantwortlich zeichnet, die ich an dieser Stelle ganz herzlich als neue Moderatorin des Mediengipfels begrüßen darf.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Die BLM plant, den MedienVielfaltsMonitor regelmäßig zu aktualisieren und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Eine empirisch erhobene Grundlage für die Berechnung von Medienkonzentration liegt damit vor. Nun müsste der Gesetzgeber in der Novelle des Rundfunkstaatsvertrags einen Schwellenwert festlegen, ab dem vorherrschende Meinungsmacht gegeben ist.
Wir sind überzeugt, dass der MedienVielfaltsMonitor der richtige Weg ist, um die Voraussetzungen für Medienpluralismus in der digitalen Welt zu schaffen. Als „hoch relevant“ haben auch Experten wie das Hans-Bredow-Institut den Versuch befunden, das Zuschaueranteilsmodell von einer - ich zitiere - „rein fernsehzentrierten auf eine medienübergreifende Perspektive“ zu erweitern. Das Institut unterstützt das Berechnungsmodell zur Messung von Meinungsmacht und hat erklärt, bei einer Evaluation für eine Kooperation zur Verfügung zu stehen.
Wer das Berechnungsmodell im Detail kennenlernen will, kann sich während der Medientage am BLM-Stand oder über die Website www.blm.de informieren.
Neben dem anschließend stattfindenden Mediengipfel bieten vier weitere Gipfelrunden und insgesamt 90 Veranstaltungen in den kommenden drei Kongresstagen die Gelegenheit, die Topthemen der Branche zu diskutieren – vom Urheberrecht und Datenschutz über die Netzpolitik, die Print-, TV- und Radiozukunft bis hin zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der veränderten Medienwelt. Natürlich stehen auch die Medieninhalte und deren professionelle Produzenten, die Journalisten, im Fokus. Denn die einordnende Funktion der Journalisten wird angesichts der Informationsfülle und des zunehmenden Verschwimmens von Information und Meinung immer wichtiger für unsere Demokratie. Deshalb kann ich an die Profis auch nur appellieren, medienethischen Grundsätzen zu folgen. Darum wird es zum Abschluss im Content-Gipfel gehen.
Vor uns liegen nun drei Tage mit spannenden Themen und interessanten Referenten. Dafür hat das Team der Medientage München, dem ich an dieser Stelle herzlich danken möchte, mit der Besetzung der Podien gesorgt. Mit Spannung erwarte ich die Eröffnungsrede des Ministerpräsidenten Horst Seehofer, an den ich das Wort übergeben möchte.
Herzlich Willkommen bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN 2012.