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Positionen & Reden

Grußwort von BLM-Präsident Siegfried Schneider zur Fachtagung „Bilder, die Angst machen – Katastrophen und Krisen in den Medien“ am 10. Mai 2017

10.05.2017 | P&R 2017
Sehr geehrte Referentinnen und Referenten,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
 
ich freue mich, Sie heute so zahlreich zur 3. Fachtagung Jugendschutz und Nutzer­kompetenz in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien begrüßen zu dürfen. Das Thema „Bilder, die Angst machen – Katastrophen und Krisen in den Medien“ berührt uns alle, denn mediale Darstellungen realer Gewalt im Rahmen von Krisen- und Katastrophenberichterstattung sind für viele Menschen nur schwer zu ertragen.
 
Ganz besonders betroffen davon sind Kinder und Jugendliche, denn sie leiden mit den Opfern und können sich von den Geschehnissen gar nicht oder nur schlecht distanzieren. Sie fragen sich, ob sie selbst in eine solche Gefahr geraten könnten und reagieren mit Angst und Verunsicherung.
 
Amokläufe, Kriege, Katastrophen und Terror – gerade in jüngster Zeit haben wir das Gefühl, von gar nichts anderem mehr zu lesen, zu hören oder zu sehen. Die Macht der Bilder macht sprachlos und ängstlich. Und sie wird noch gewaltiger, je undifferenzierter und aufgeregter über die Vorfälle berichtet wird – sei es in den klassischen Medien durch Journalisten oder in sozialen Netzwerken durch private Nutzer.
 
Auf Twitter, Facebook und über Messenger-Dienste wie WhatsApp verbreiten sich Gerüchte in Windeseile, aus der „stillen Post“ von früher sind die schrillen „Posts“ von heute geworden. So sind aus den Schüssen eines einzelnen Amokläufers am Münchner Olympiaeinkaufs­zentrum am 22. Juli 2016 schnell mehrere Schützen und Schüsse am Stachus geworden. Unruhe und Panik in der Innenstadt war die Folge. Als es auf dem Twitter-Account @itsflyingbird um das Für und Wider des Livestreaming geht, schreibt eine Bekannte richtig: „Fakten wird man so nicht bekommen. Nur noch mehr Unruhe.“ Die Süddeutsche Zeitung hat die Kommunikation in dieser aufgeregten Nacht übrigens in ihrer Ausgabe vom 1. Oktober genau analysiert. Die Multimedia-Reportage der SZ dazu ist nun für den Grimme-Online-Award nominiert. Die Timeline dieser Nacht kann in Auszügen an unseren Info-Ständen eingesehen werden.
 
Es gibt Bilder, die haben sich in unseren Köpfen festgesetzt: zum Beispiel das von dem schwer verletzten Jungen aus dem Kriegsgebiet Aleppo im Krankenwagen und die Bilder weinender und verstörter Menschen bei den Terroranschlägen in Nizza und Berlin. Die Macht der Bilder führt nicht selten zur Ohnmacht der Nutzer, wenn menschliche Schicksale und schreckliches Leid wenig einfühlsam geschildert und teilweise sogar live im Internet gestreamt werden.
 
Erwachsene können solche Inhalte besser einordnen und verarbeiten als Heran­wachsende. Welche Spuren hinterlässt die Katastrophen- und Krisenberichterstattung bei Kindern und Jugendlichen? Wie können sie von Eltern und Pädagogen begleitet und unterstützt werden bei der Aufarbeitung solcher Inhalte? Welche ethischen Maßstäbe gelten für die Journalisten, die ihrer Informationspflicht gerecht werden wollen und dabei manchmal den Opferschutz bzw. den Jugendschutz vergessen? Und was kann die Medienpädagogik in diesem Zusammenhang leisten?
 
Das sind einige der Fragen, mit denen sich die heutige Fachtagung beschäftigen wird – in guter Tradition mit einem interdisziplinären Ansatz, den es angesichts der psycho­logischen, rechtlichen, ethischen, journalistischen und pädagogischen Aspekte dieses Themas auch braucht. Genauso wichtig wie der theoretische Hintergrund sind uns die praktischen Tipps für Erziehungsverantwortliche: Wie sollten Eltern oder Pädagogen mit Kindern und Jugendlichen über solche Bilder und Meldungen reden?
 
Ein wenig für uns ordnen wird diese Fragen zum Auftakt Dr. Stefan Leifert in seinem Impulsvortrag. Als ZDF-Korrespondent in Brüssel hat er sich häufig die Frage stellen müssen, wieviel berichtet werden soll und wo die Grenzen sind. Diese sind laut Medienethiker Prof. Dr. Alexander Filipovic dann erreicht, wenn in der Berichterstattung zu stark – ich zitiere – „in die persönlichen Schutz- und Nahräume betroffener Menschen“ eingedrungen wird. Wir sind gespannt, was er zu Katastrophen und Medienethik zu sagen hat.
 
Über die Wirkung von Krisenberichterstattung referiert anschließend Prof. Dr. Frank Schwab vom Institut für Medienpsychologie der Julius-Maximilian-Universität-Würzburg.
 
Und wie erleben Nachrichtenmedien und Pressesprecher der Polizei den Ernstfall? Wir freuen uns auf das Doppelinterview mit Dr. Torsten Rossmann, Geschäftsführer von WeltN24, und dem Münchner Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins, ein begehrter Referent in Sachen Öffentlichkeitsarbeit der Polizei. Er hat mit seinem Team einige Preise für das besonnene Krisenmanagement am 22. Juli 2016 bekommen.
 
Die Aspekte des Jugendschutzes schildern Birgit Braml und Sonja Schwendner aus dem Bereich Medienkompetenz und Jugendschutz der BLM. Sie werden uns darlegen, wo der Jugendmedienschutz rechtlich verankert ist und nach welchen Kriterien entsprechende Angebote bewertet werden.
 
Wie Kinder mit Katastrophenberichten konfrontiert werden und damit umgehen, hat Dr. Maya Götz, die Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen, untersucht. Sie wird uns dazu interessante Forschungsergebnisse aus dem Bereich Fernsehrezeption von Kindern und Jugendlichen darlegen.
 
Wenn die Medienschaffenden ihrer Verantwortung aber nicht gerecht werden oder sogar durch so genannte Fake News, also Falschmeldungen, in sozialen Medien bewusst eine Krisenstimmung oder Panikmache erzeugt wird, dann ist die Kompetenz der Nutzer umso wichtiger. Was Kindern zuhause oder in der Schule in puncto Medienkompetenz vermittelt werden sollte, diskutiert zum Abschluss des heutigen Tages ein Podium mit Schauspielerin Gesine Cukrowski, Studiendirektor und Beratungslehrer Michael Friedl, FLIMMO-Redakteur Michael Gurt und Verena Weigand, Bereichsleiterin Medienkompetenz und Jugendschutz der BLM.
 
Der Programmratgeber FLIMMO ist übrigens ein Projekt der Medienanstalten, das immer wieder bestimmte Schwerpunktthemen aus der Fernsehnutzung thematisiert und den Eltern Orientierung gibt. Diese Orientierung will die BLM mit allen ihren Aktivitäten im Bereich Jugendschutz und Medienkompetenz bieten, denn der bewusste und kritische Umgang mit Medien ist eine Schlüsselkompetenz im digitalen Zeitalter.
 
Lassen Sie uns heute alle dazu beitragen, dass die Macht der Bilder in den Medien nicht zur Ohnmacht der Nutzer führt. Ich freue mich auf interessante Vorträge und Diskussionen. Bevor ich an Dr Leifert übergebe, folgt nun ein ca. 2-minütiger Einspieler des afk, in dem Kinder und Jugendliche zu unserem heutigen Thema befragt wurden.