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Zukunftsszenarien für den lokalen Hörfunk - Radio wie eine zweite Haut

09.06.1999 | 9 1999

Wie wird lokaler Hörfunk in zehn Jahren aussehen? Diese Frage diskutierten Experten während der BLM-Lokalrundfunktage am Mittwoch, den 9. Juni, in dem Workshop "Zukunftsszenarien für den lokalen Hörfunk" im CongressCenter der Nürnberger Messe.

In zehn Jahren, so das Szenario des Schweizer Zukunftsforschers Dominik Landwehr, werde die "Mediatisierung des Alltags" noch viel weiter fortgeschritten sein. Hörfunk werde in einem "organischen Prozeß" mit dem Internet verschmelzen. Gleichzeitig werde die allgemeine Mediennutzung weiter ansteigen, während auch die Spezialisierung der Medienangebote zunehmen werde. Statt eines Kinderkanals, sagte Landwehr voraus, werde es etwa "einen Kanal für Mädchen und einen für Jungen" geben. Und raffinierte Computertechnik werde ermöglichen, aus diesem vielfältigen, spezialisiertem Angebot jedem Nutzer ein maßgeschneidertes, individuelles Programm zusammenzustellen, "ähnlich einem Maßanzug, einer zweiten Haut". Leitmedien werden laut Landwehr mehr und mehr verschwinden.

Inhalte, prophezeite der Leiter der Abteilung Science & Future im Züricher Migros-Genossenschafts-Bund, "werden sich von den Plattformen lösen". Gewinnen werde in einem härter werdenden Wettbewerb der Anbieter, "der seinen Content plattformübergreifend ans Publikum bringen kann". Die Kernkompetenz der Zukunft für ein Medienunternehmen werde deshalb darin bestehen, "schnell reagieren zu können".

Die Konsequenzen dieses multimedialen Zukunftsszenarios für lokale Radios brachte der Medienforscher und Berater Christoph Pöschl (Puls Media Group) auf den Punkt: "Ändern wird sich vor allem der Distributionsweg". Wichtig sei daher, sich so früh wie möglich im Internet zu positionieren. "Erfolgreich wird der sein, der diesen Übergang am schnellsten und am glaubwürdigsten vollzieht". Entscheidend aber bleibe, "ein gutes Produkt abzuliefern". Um die Phase des Übergangs zu digitalen Übertragungstechniken und zum Internet erfolgreich zu meistern, empfahl Pöschl den Lokalradios "Hörerbindungsprogramme ohne Ende".

Die absehbare Änderung der technischen Rahmenbedinungen wird laut Radio-Hamburg-Chef Bertram Schwarz zu Problemen für die Anbieter führen. Durch die Begrenztheit der terrestrischen Frequenzen sei ein "closed shop" entstanden. Die Entwicklung zum Digital-Radio und zum Internet werde den Kreis der Konkurrenten massiv erweitern. "So schön wie heute wird's nie wieder werden", meinte Schwarz. Im Gegensatz zu den technischen Rahmenbedingungen werde sich der Hörer und damit die prinzipiellen Anforderungen an ein Radioprogramm jedoch nicht ändern. Und da die Aufnahmekapazität der Menschen begrenzt sei, werde es auch in Zukunft weiter Leitmedien geben.

Ähnlich argumentierte der Leiter des Schweizer Privatradios Radio Argovia, Christian Stärkle. "Lokalrundfunk wird Lokalrundfunk bleiben." Zwar werde vermutlich "weniger Geld mit Lokalradio zu verdienen sein". An der grundsätzlichen Stärke der lokalen Hörfunksender werde sich jedoch nichts ändern: "Das Bedürfnis nach lokaler Information und einem lokalen Bezug wird bleiben."