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- 2001
Erste Augsburger Mediengespräche im ausverkauften Theaterzelt: Wenn "Stars im Fadenkreuz der Medien" stehen - Werner Wallert: "Ich wünsche mir mehr Ehrlichkeit in der Medienwelt"
Zur Premiere der Augsburger Mediengespräche hatte die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) in Kooperation mit den Augsburger Hörfunk- und TV-Sendern eingeladen (RT.1, Radio Fantasy, Kö 87,9, der DAB- u. Kabelsender Radio Augsburg und TV Augsburg). Die Gespräche am Medienstandort Augsburg sollen künftig jährlich stattfinden mit dem Ziel, gerade den Bürgern und Mediennutzern einen Blick hinter die Kulissen der Medienwelt zu bieten. In seinem Grußwort zu den 1. Augsburger Mediengesprächen betonte BLM-Präsident Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, dass in Augsburg keine weitere Veranstaltung für ein Fachpublikum durchgeführt werden sollte, sondern ein Forum für die Zuschauer, Zuhörer und Leser, das sich den verschiedenen Facetten im Verhältnis zwischen Massenmedien und Gesellschaft widmet und auch den Veränderungen der Medienlandschaft mit den Folgen für die Bürger. "Die Medienwelt wandelt sich immer schneller und wird somit für den durchschnittlichen Mediennutzer, aber nicht nur für ihn, immer schwerer durchschaubar," so Ring. Ziel in Augsburg sei es, mehr Transparenz zu schaffen und die Augsburger Mediengespräche zu einer attraktiven Veranstaltung für die Region zu machen, die auch überregional Beachtung findet.
Für die Premiere hatten die Veranstalter mit dem Augsburger Theaterfestival "La Piazza" einen stilvollen und lebendigen Rahmen gewählt. Der szenische Auftakt mit einem Ausschnitt aus dem Woody Allen-Stück "Bullets over Broadway" über das Verhältnis zwischen Kunst und Kommerz schaffte die geeignete Atmosphäre für die spätere Diskussion, denn das ambivalente Verhältnis von Prominenten zur Öffentlichkeit ist nicht zuletzt durch eine Abhängigkeit begründet, von der beide Seiten profitieren, die aber auch beiden Seiten schwer zu schaffen macht.
So bezeichnete der Gymnasiallehrer Werner Wallert, der durch die Entführung von Malaysia nach Jolo zum unfreiwilligen "Medienstar" wurde, die Diskussion auch als ein "Techtelmechtel" zwischen Menschen, die voneinander abhängig seien. In einem Gespräch während des anschließenden Empfangs im Festsaal des Augsburger Rathauses betonte Wallert, dass viele Journalisten ihm gegenüber selbst über die "Verlogenheit der Medienwelt" geklagt hätten. Deshalb wünschte er sich als Antwort auf die Abschlussfrage des Moderators, was künftig verbessert werden könne, "mehr Ehrlichkeit in den Medien". Diese "Ehrlichkeit" sprach ihm "Bunte"-Chefin Riekel während der Diskussion teilweise ab: Sein Sohn Dirk, so Riekel, hätte die Entführung exklusiv an SAT.1 verkauft und sich damit der Medien auch sehr geschickt bedient. Wallert räumte ein, natürlich hätten die Gefangenen die Medien auch genutzt: "Wir brauchten die Veröffentlichung des Leids", um politisch Druck zu machen. Es käme aber immer auf die Darstellung in den Medien an. In dieser Frage pflichtete ihm Schreinemakers bei, die mit ihrer Steuerstory selbst zum "Star im Fadenkreuz der Medien" geworden ist ("Ich habe erfahren, was es bedeutet, ein Sommerloch zu füllen.") Als Journalistin, so die ehemalige Moderatorin von "Schreinemakers TV" und "Big Diet", mache sie nicht generell Halt vor einem Thema, das die Leute interessiere, sondern es ginge immer um die Frage: "Wo mache ich Halt?" Aber wo liegt die Grenze für die "schützenswerte" Privatsphäre prominenter Persönlichkeiten? Vor Friedhöfen und Trauer (Beispiel: Foto der trauernden Petra Schürmann) müssten die Medien halt machen, meinte daraufhin Katja Flint und forderte ein entsprechendes Gesetz. Neue Gesetze seien nicht notwendig, entgegnete die Geschäftsführerin des Bayerischen Journalistenverbandes: Es gebe sie bereits im Presserecht, aber es sei sehr schwierig für die Gerichte, zwischen der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit und den Persönlichkeitsrechten abzuwägen. Als jüngstes Beispiel für eine schärfere Rechtssprechung in Bezug auf die Verletzung der Privatsphäre von Prominenten nannte Ancker die Schadenersatzzahlung an Hera Lind in Höhe von 175.000 Mark für die Veröffentlichung eines Fotos, das Lind beim Wechseln des Badeanzuges zeigte.
Riekel und tz-Chefredakteur Schermann rechtfertigten sich gegen die Angriffe auf den Boulevardjournalismus, der zunehmend die Privatsphäre der Prominenten verletze, mit dem Hinweis, dass es einem die "Prominenten auch manchmal sehr schwer machten" (Schermann). Man müsse ja keine Interviews und Homestories geben, so Riekel mit Blick auf Katja Flint, die ihre Privatsphäre durch diskretes Verhalten schütze. Ob Künstler oder Politiker, betonte Riekel, viele riefen selbst in den Boulevardblättern oder beim Fernsehen an, um sich öffentlich darzustellen: "Klatsch ist zum Kult geworden, auch in der Politik!" Ein Hinweis auf eine Entwicklung, die das Verhältnis der Prominenten zu den Medien prägt und die schwierige Frage nach der Grenzziehung betrifft. Die Differenzierung zwischen "Tätern" und "Opfern" fällt im wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis von "Stars" und "Medien" immer schwerer.