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BLM-Forum zu Musik und Rundfunk / Allmähliche Annäherung jenseits der Quotenregelung

28.04.2004 | 27 2004
Welche Musik braucht das Formatradio, um auf dem Markt erfolgreich bestehen zu können? Was wünscht sich die Musikindustrie von den Radiostationen, um ihre Produkte erfolgreich verkaufen zu können? Und welche Strukturen sind notwendig, damit beide überleben können? Um diese Fragen kreiste die Diskussion im Rahmen des BLM-Forums "Musik und Rundfunk - Märkte, Formate, Nischen" am 27.04.2004 in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien.

Obwohl sowohl für das Radio als auch für die Tonträgerhersteller die Musik das wichtigste Standbein sind, arbeiten sie doch in verschiedenen Märkten, führte BLM-Präsident Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring in seiner Eröffnungsrede aus. Der Hörfunk steht auf dem Werbemarkt unter Druck, die Musikindustrie bangt um ihre Verkaufszahlen - für beide habe sich die Situation seit den ersten Gesprächen im Jahr 2000 deutlich verschlechtert, so Ring. Umso wichtiger sei es deshalb, gemeinsam nach neuen Kooperationsmodellen und Wegen aus der Krise zu suchen.

"In Deutschland gibt es zu wenig Radiosender", lautete die These von Klaus Goldhammer, Geschäftsführer der GoldMedia GmbH. Er rechnete vor, dass in Deutschland auf eine Million Menschen gerade mal vier Radioprogramme kommen. In den USA seien es 46! Daher sei es kein Wunder, dass 58% aller Radioformate im AC-Bereich anzusiedeln sind, die den Geschmack von immerhin 60% der Hörer treffen. Die oft kritisierte programmliche Monotonie ist also, so Goldhammer, ein Wettbewerbsproblem. Mehr Vielfalt sei nur über ein Votum der Politik für mehr Programme herbeizuführen.

Wie Musiktitel getestet werden, bevor sie - wenn überhaupt - in eine Radiorotation aufgenommen werden, erklärte Jochen Lukas, Consultant und Partner von The Brand Support Company, Schwaig. Trotz Research bleibt es aber die kreative Aufgabe der Musikredakteure, zu entscheiden, welche Titel überhaupt im Programm ausprobiert und damit dem Hörer zur Beurteilung vorgesetzt werden. Ob ein Titel ein Hit wird, darüber hat der Hörer das letzte Wort.

Jeff van Gelder, Promotion Director bei Virgin Music, München, bestätigte den Radiomachern, dass ihr Medium weiterhin immens wichtig sei für den Aufbau neuer Künstler. Die Plattenindustrie sei immer noch bereit, sich auf musikalische Abenteuer einzulassen, schließlich sei nicht die Idee des Formatradios gewesen, Neues auszuschließen. Die Hörer seien an der Misere unschuldig, denn sie bekämen überhaupt keine Chance, neue Musik zu hören.

Walter Schmich, Programmchef von Bayern 3, verteidigte die Radiomacher gegen die Kritik, sie würden zu wenig für den nationalen Nachwuchs tun. Neben der regelmäßigen redaktionellen Berichterstattung biete der Bayerische Rundfunk Newcomern z.B. eine mediale Plattform durch Onlineabstimmungen, Nachwuchs- oder Deutschrockfestivals sowie über die B3-Badetour mit 10.000 Besuchern. Eine Radioquote sei also nicht nötig, wohl aber bräuchte es mehr Radiosender, vor allem für Jugendliche, meinte Schmich.

Auch in der Schweiz gibt es keine gesetzlich festgelegte Quote für nationale Musik im Radio. Sie werde aber dennoch gespielt, weil sie sehr erfolgreich und beliebt ist, erklärte Patrick Wyss, Musikchef bei Radio Pilatus in Luzern. Habe es früher nur drei erfolgreiche Schweizer Bands gegeben, könne man die einheimischen Stars, die radiotaugliche Musik produzieren, heute kaum noch zählen. In der Rotation von Pilatus tauchen deren Songs deshalb ohne Sonderbehandlung gleichberechtigt neben internationalen Künstlern auf.

Auch Antenne Bayern wage noch "Experimente in der Nische", demonstrierte der Musikchef des landesweiten Programms, Justus Fischer, anhand der "Live-Kantine". Dabei spielten neue oder noch nicht so bekannte Künstler ein exklusives Live-Konzert für 300 Antenne Bayern-Hörer in der Kantine des Senders. Die Medialeistung durch Live-Übertragung, Werbespots, redaktionelle Beiträge u.ä. sei mit umgerechnet mehr als 70.000 Euro gewaltig, rechnete Fischer vor. Die Plattenfirma müsste lediglich den Künstler bereitstellen.

In der abschließenden Diskussion unterstrich der Leitende Ministerialrat Dr. Hansjörg Kuch von der Bayerischen Staatskanzlei die Vorreiterrolle Bayerns. Durch einen Runden Tisch habe man erreicht, dass sich die großen Pop-Programme Bayern 3 und Antenne Bayern, aber auch die bayerischen Lokalsender, selbst zu konkreten Maßnahmen zur stärkeren Berücksichtigung von deutschsprachiger Musik und zur Förderung von Newcomern verpflichtet hätten.

In der Plenumsdiskussion signalisierten Radiomacher wie Musikmanager noch einmal ihre Bereitschaft zur besseren Zusammenarbeit. Dass rechtzeitige Absprachen beiden Seiten helfen können, bestätigten sowohl Musikredakteure als auch Plattenpromoter. Die Musikindustrie dürfe aber auch nicht ausschließlich für die Formatradios produzieren, warnte Peter Zombik, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft. Dies führe sonst zur künstlerischen Verarmung. Es bewege sich derzeit sehr viel in der Musikproduktion, aber leider in einer statischen Struktur, die keine Vielfalt zulasse. Hier reichten die Marktmechanismen allein nicht aus, die Politik müsse Hilfestellung leisten. Der Münchener Popjournalist Karl Bruckmaier erinnerte daran, dass die Gier der Musikindustrie schon des Öfteren "ihre eigenen Kinder gefressen" habe, z.B. die Neue Deutsche Welle in den 80ern oder jüngst den deutschen HipHop. Gleichzeitig sprach er sich dagegen aus, einheimische Künstler zu verhätscheln - sie müssten sich vielmehr im Markt gegen internationale Künstler durchsetzen. Wenn Radiomacher und Musikindustrie durch Veranstaltungen wie die heutige lernten, sich gegenseitig besser zu verstehen, fasste Peter Zombik abschließend zusammen, dann bewegten sie sich gemeinsam in die richtige Richtung - und von neuen Kooperationsmodellen profitierten am Ende beide!