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Das Notfallrezept aus der Dose - Wie Radiosender in Krisensituationen oder bei menschlichen Tragödien richtig reagieren

22.06.2005 | L14
„Es ist das Idiotischste, wenn ein Radiosender sich nicht darauf vorbereitet, dass der Papst stirbt!“. Dies ist die Überzeugung von Albert Malli, bei Ö3 stellvertretender Programm- und Senderchef. Jeder Sender sollte für Krisensituationen, seien es Naturkatastrophen oder auch menschliche Tragödien ein Rezept in der Tasche haben. Um auf Krisensituationen angemessen und schnell reagieren zu können, hat zum Beispiel der österreichische Nachbar Ö3 Anleihen bei der Luftfahrt und der Eisenbahn genommen. Bei Ö3 gibt eine Checkliste wie für Piloten und einen Fahrdienstleiter, der in Krisensituationen die alleinige Programmentscheidung hat und die Entscheidungen der Ressortleiter außer Kraft setzt. Was sich ein Sender nicht leisten könne, so Albert Malli, ist, bei Naturkatastrophen oder menschlichen Tragödien lange zu überlegen, wie man nun programmlich reagieren solle. Bei Ö 3 gebe es hierfür die sog. „Canned Decision“, sozusagen die Entscheidung aus der Dose. Wie ein Fertiggericht vorher gekocht und eingedost. Bei Bedarf wird die Dose geöffnet und fertig. Zum Beispiel hatte sich Ö3 für den Tod des Papstes schon vier Jahre zuvor gerüstet: „Wir hatten die ersten 4 Stunden Programm fix vorbereitet“, so Albert Malli. Und auch die gedämpftere „Station Voice“ war bereits vorher fertig eingespielt.
 
Nicht nur die großen Sender, selbst die Verantwortlichen kleinerer Stationen haben oft schon einen Notfallplan in der Tasche. So ist zum Beispiel Mathias Bärenfaller, Geschäftsleiter des drittkleinsten Schweizer Lokalradios Radio Rottu im Oberwallis, ein Verfechter eines solchen Notfallplans. Sein Lokalradio begleitete 3 Katastrophen im Sendegebiet innerhalb von 7 Jahren, wobei sich Radio Rottu dabei keineswegs nur auf die Rolle des Berichterstatters beschränkte. So übernahm Radio Rottu bei der Katastrophe in nahegelegenen Dorf Gondo – hier verschütteten im Oktober 2000 Murenabgänge die Häuser – auch die Funktion eines Dienstleistungsbetriebes und half bei der Suche nach Vermissten. Die Feuerwehrmänner trugen einen Knopf im Ohr und hörten ständig den Lokalsender. Einwohner des Dorfes riefen bei Radio Rottu an, um Vermisste zu melden. Für Mathias Bärenfaller ist klar: „Die journalistischen Bedürfnisse müssen im Krisenfall diesen Funktionen untergeordnet werden“.
 
Eine beachtliche Spendenaktion hat Radio Chiemgau in Traunstein nach der Flutkatastrophe in Südostasien auf die Beine gestellt. „Wir hatten keinen Notfallplan“ gibt Stephan Mikat, Geschäftsführer von Radio Chiemgau zu. Dennoch gelang es seinem Sender gemeinsam mit den örtlichen Printmedien und dem Lokalfernsehen in einer professionellen Spendenkampagne 435 000 Euro innerhalb kurzer Zeit zu sammeln und so den Betroffenen zu helfen. „Sonst geht es immer darum, wer ist der Schnellere, hier ging es nur darum, wie bekommen wir möglichst viel Geld zusammen“, beschreibt Stephan Mikat die Zusammenarbeit der Medien vor Ort. Erreicht wurde diese enorme Summe durch Promos, Spendenaufrufe und vor allem auch durch Sondersendungen bei Radio Chiemgau, in denen die Telefone heiß liefen.
Solche Hilfsaktionen, in denen sich der Lokalsender vor Ort engagiert, sind natürlich auch eine Gelegenheit für das Lokalradio, neue Hörer zu gewinnen. Eines ist klar: Bei Naturkatastrophen und in Krisensituationen ist das Radio der Erstinformant. Dies ist eine Aufgabe und auch eine Chance für das Medium.
 
 
 
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