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Lebensläufe – Lebensmuster – Lebensgestaltung: Wie Medien eingreifen - 12. Fachtagung des Forums Medienpädagogik der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien am 23.11.2006

23.11.2006 | 51 2006
Die 12. Fachtagung des Forums Medienpädagogik der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) beschäftigte sich mit der Frage, wie Medien in Lebensläufe, Lebensmuster und Lebensgestaltung insbesondere von jungen Menschen ein­greifen. Dabei wurden Entwicklungen der Inhalte, aber auch der Technologie in den Blick genommen. Entsprechend wurden von den Teilnehmern (Pädagogen, Erziehern, Wissenschaftlern, Gremienmitgliedern und Medienvertretern) Forde­rungen formuliert, die in ein Positionspapier gefasst wurden. (Anlage)
 
BLM-Präsident Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring warnte davor, sich aufgrund von Presseberichten auf isolierte Vorkommnisse zu stürzen und daraus medien­pädagogische Konsequenzen zu ziehen. Es müsse darum gehen, langfristig im Voraus problematische Aspekte zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln.
 
Dr. Fred Schell betonte, dass Medienkompetenz in unserer Mediengesellschaft notwendiger und wesentlicher Bestandteil von Lebenskompetenz ist.
 
Die Berichterstattung aus den drei Arbeitsgruppen durch die Moderatoren Rainer Rupp, Petra Müller, Prof. Dr. Walter Eykmann, fasste der Tagungsleiter, Dr. Erich Jooß, wie folgt zusammen:
Verbote allein helfen nicht weiter. Ebenso darf die Verantwortung nicht von einer Instanz zur anderen geschoben werden. Die Gesellschaft muss sich mit den von Jugendlichen favorisierten Medien auseinandersetzen. Erst dann kann es gelingen, das Interesse von Kindern und Jugendlichen für einen kompetenten Umgang mit Medien zu wecken und sie für Probleme zu sensibilisieren. Medienkompetenz wird immer wichtiger, nicht nur die technische Medienkompetenz, auch die inhaltliche: Heranwachsende, aber auch Erwachsene müssen lernen, zwischen Realität und Virtualität zu unterscheiden, Inszenierungsmechanismen von Realität zu erkennen oder mit den Dimensionen „Privatheit“ bzw. „Öffentlichkeit“ eigenverantwortlich umzugehen.
 
Anwesende Medienexperten in den Arbeitsgruppen waren:

AG 1) TV: Rat und Tat und Emotionen / Moderation: Rainer Rupp:
Prof. Joachim von Gottberg, Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), Elisabeth Helming, Deutsches Jugendistitut (DJI), Heinz Thiery, Bundeskonferenz für Erziehungsberatung


AG 2) PC und Internet Leben spielen / Moderation: Petra Müller
Dr. Wolfgang Bergmann
, Kinderpsychologen aus Hannover, Dr. Britta Neitzel, Uni Siegen Klaus Wölfling, interdisziplinäre Suchtforschungsgruppe der Berliner Charité


AG 3) Handy: multimedial und überall / Moderation: Prof. Dr. Walter Eykmann
Kathrin Demmler
, Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, Katrin Napp, Schulen ans Netz, Friedemann Schindler, jugendschutz.net

Positionspapier der 12. Fachtagung des Forums Medienpädagogik der BLM, verabschiedet am 23.11.2006
 
Aus den Anregungen und Vorschlägen der Teilnehmer ergeben sich Erwartungen an die Medienpolitik, an die gesellschaftlichen Gruppierungen, die Aufsichts­gremien, die Fernseh-Verantwortlichen, die Computerspiele-Industrie und die Mobilfunkanbieter. Generell gilt, dass das Gespräch zwischen Erwachsenen und Heranwachsenden über die Mediennutzung intensiviert werden soll und in der Gesellschaft Räume für diese Kommunikation geschaffen werden müssen.

Erwartet wird, dass
  • sich die zunehmende Bedeutung der Medienpädagogik auch in der finanziellen und personellen Ausstattung niederschlägt.
  • der Begriff „Medienkompetenz“ nicht als Alibi dafür missbraucht wird, Jugend­schutzbestimmungen und ethische Grundsätze für Medieninhalte aufzuweichen oder abzuschaffen.
  • die Förderung medienpädagogischer Aus- und Fortbildung für Pädagogen und Erziehende stärker als bisher gewichtet und das Wissen über das Medien-Nutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen umfassend vermittelt wird.
  • die Auseinandersetzung mit dem Medienumgang Heranwachsender auf der Grundlage wissenschaftlicher Beobachtungen und unter Einbeziehung des sozialen und erzieherischen Umfelds erfolgt.
  • die medienpädagogischen Aktivitäten auf bundesweiter Ebene und europaweit stärker vernetzt werden.
  • Presse, Hörfunk und Fernsehen bei aktuellen Straftaten, die mit dem Konsum von Medien in Verbindung gebracht werden, eine differenzierte und sach­gerechte Berichterstattung gewährleisten.
Forderungen an die Fernseh-Verantwortlichen:
 
  • Lebenshilfeformate erzielen hohe Einschaltquoten, indem sie Menschen mit Problemen zu Unterhaltungszwecken zeigen. Die geleistete „Lebenshilfe“ beschränkt sich meist auf kurzfristige Verbesserungen, und kann den Zuschauern suggerieren, dass sich Probleme rasch lösen lassen. Dem sollten die  Sendungen durch Hinweise auf strukturelle Hilfen wie professionelle Beratungsangebote entgegenwirken.
  • Moderatoren und Redakteure der Lebenshilfeformate werden aufgefordert, sich ihrer gesellschaftlichen und ethischen Verantwortung bewusst zu werden, da Fernsehen eine wichtige Orientierungsfunktion gerade bei jungen Zuschauern übernimmt. Entsprechend sollten sie mehr Zurückhaltung üben und sich ihrer fachlichen Begrenztheit bewusst sein.
  • Das Fernsehen darf Notsituationen von Menschen nicht um der Einschaltquote willen ausnutzen.
  • Die Beteiligung von Kindern in Ratgebersendungen erfordert ein hohes Maß an  Sensibilität und Zurückhaltung.
  • Als Leitmedium für Kinder und Jugendliche darf das Fernsehen keine Werbung für gewalthaltige Video-Spiele ausstrahlen.
Forderungen an die Computerspiele-Industrie:
 
  • Den Spieleherstellern sollte klar sein, welchen Einfluss sie auf die Alltags­gestaltung und auf Einstellungen von Kindern und Jugendlichen haben. Hieraus ergibt sich die Verantwortung, nicht alles, was technisch möglich ist, auch umzusetzen.
  • Zu dieser Verantwortung gehört auch, dass Kinder bestimmter Altersstufen nicht überschätzt und die gesetzlichen Grenzen mit brutalen Gewaltdar­stellungen nicht ausgereizt werden.
  • Die Kreativität der Spielentwickler sollte sich verstärkt darauf richten, sozial­verträgliche Inhalte umzusetzen.
  • Mit Computerspielen wird sehr viel Geld verdient. Die Hersteller werden auf­gefordert einen Teil dieser Einkünfte in begleitende Wirkungsforschung zu investieren, damit  aktuelle Medienphänomene fundierter als bisher analysiert und in der Gesellschaft diskutiert werden können.
  • Spiele sollten so weit wie möglich auf Elemente verzichten, die die zeitliche und inhaltliche Abhängigkeit von Kindern und Jugendlichen fördern.
Forderungen an die Mobilfunk-Anbieter:
 
  • Handys und mobile Endgeräte (z. B. Spielkonsolen) haben einen zentralen Stellenwert bei Kindern und Jugendlichen.
  • Entsprechend müssen sich die Anbieter auch mit den problematischen Folgen dieses multifunktionalen Mediums auseinandersetzen. Die Gefahren reichen hier von der Verschuldung über Verletzungen des Persönlichkeitsrechts, pornographische und gewaltverherrlichende Inhalte bis zu  Formen des sexuellen Missbrauchs und des Mobbings über das Handy.
  • Als effizienter Zugangsschutz ist vor allem eine kindersichere Vorkonfiguration der Handys notwendig. Das bedeutet, dass technische Schutzmaßnahmen vorgeschaltet werden und die Kommunikations- und Austauschmöglichkeiten altersgemäß eingerichtet werden. Dies ist besonders wichtig, wenn das Mobiltelefon den Zugang zum Internet zulässt und damit sämtliche Internet­risiken auch bei der Handynutzung zu berücksichtigen sind.
  • Der Zugang zu jugendgefährdenden Angeboten muss – analog zu den Eckwerten der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) für geschlossene Benutzergruppen im Internet – grundsätzlich erst nach persönlicher Identi­fizierung des Nutzers möglich sein. Bei entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten muss zumindest eine effektive Barriere vorgeschaltet werden.
  • Unbeschadet des Verbots an bayerischen Schulen muss die pädagogische Auseinandersetzung mit der Handynutzung thematisiert werden. Dafür müssen Konzepte entwickelt, evaluiert und verbreitet, sowie Pädagogen bei der Durch­führung der Maßnahmen unterstützt werden.

>> Kontakt: Dr. Wolfgang Flieger, Tel. (089) 63 808-313, wolfgang.flieger@blm.de