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Wenn das Sozialleben zum Stillstand kommt - BLM diskutiert auf Munich Gaming über „Gamer zwischen kreativer Herausforderung und Suchtgefahr“

03.04.2009 | 14 2009
„Ich verbringe zu viel Zeit mit Computerspielen, ca. 13 Stunden am Tag. Dadurch ist mein Sozialleben zum Stillstand gekommen.“ So oder so ähnlich begründen Patien­ten, warum sie Hilfe bei Klaus Wölfling suchen, dem psychologischen Leiter der Am­­bu­lanz für Spielsucht an der Universitätsklinik Mainz. In der Ambulanz müssen sie sich dann in der Gruppentherapie mit ihren „Avataren“ aus Online-Rollenspielen wie „Everquest“, „War­hammer“ oder „World of Warcraft“ auseinandersetzen. Bei Online-Rollenspielen sei das Suchtpotenzial am größten, erläuterte Wölfling in der Einführung zum Panel „Spielzeit=Echtzeit=Lebenszeit? Gamer zwischen kreativer Herausforderung und Suchtgefahr“, zu dem die Bayerische Landeszentrale für neue Medien am 1. April auf die Munich Gaming eingeladen hatte.
 
Die allermeisten Menschen pflegten einen „angemessenen Umgang“ mit diesem Medium. Es gebe überhaupt nur fünf Prozent „Intensiv“-Spieler unter den Gamern in Deutschland, die möglicherweise durch exzessives Spielen gefährdet seien, entgegnete Martin Lorber, PR-Director von Electronic Arts, angesichts der „Einzel­schicksale“, mit denen Wölfling und Günter Mazur, Vorsitzen­der des Fach­verbandes für Medienabhängigkeit, in ihrer Ambulanz bzw. bei der stationären Be­handlung konfrontiert sind.
 
Doch der Anteil der Computerspiel­süch­tigen sei in den letzten zwei Jahren deut­lich gestiegen, berich­tete Günter Mazur, der in einem Fachkrankenhaus in Nord­fries­land in der Abteilung Spielsucht, Com­puter- und Internetsucht Patienten betreut. Meist handele es sich um männliche Jugendliche und junge Er­wachsene zwischen 16 und 25 Jahren, so Mazur: Es sei er­schreckend, wie sehr die Be­troffenen in den ersten Wochen „wie Roboter agierten“ und mühsam die Rückkehr in den Alltag ler­nen müssten.

Wie es zur exzessiven Nutzung und möglicherweise auch zur Sucht kommen kann, hatte Wölfling ein­gangs anhand der psychologischen Wirkungen von Online-Rollenspielen geschildert. Sie er­laubten, im Spiel eine Wunsch­identität anzunehmen, die im realen Leben nicht erreichbar sei. Mit diesem idealisierten Per­sönlichkeitsempfinden würden seiner Erfahrung nach meist körperliche oder psychische Defizite kompensiert. Die gruppendynamischen Prozesse, die bei der Kommunikation der verschiedenen Teams abliefen, erforderten die Investition von viel Zeit und Energie. Für diese Investition werde man belohnt, wenn die Spiel­strategie erfolgreich war.  Als Folgen der Abhän­gigkeit nannte der Psychologe Leistungsa­bfall, sozialen Rück­zug, Vernachlässi­gung, Kontrollverlust und Aggressi­vität. Die betrof­fene Klien­tel, die übrigens aus allen Bildungsschichten käme, sei meist durch weitere psychische Störungen belastet.
 
Angesichts ihrer Erfahrungen aus der Therapie forderten Wölfling und Mazur, die Hersteller solcher Spiele mit einer finanziellen Abgabe in die Pflicht zu nehmen, was der Vertreter der Spieleindustrie, Martin Lorber, für wenig sinnvoll hielt. Lieber solle durch Medienkompetenz-Maßnahmen in die Präven­tion investiert wer­den, so Lorber. Eltern und Lehrer kümmerten sich immer noch viel zu wenig um eine der Hauptbeschäftigungen in der Freizeit der Jugendlichen.
 
Stärkere Aufmerk­samkeit wird dem Problem eines intensiven Spielkonsums wieder nach dem jüngsten Amoklauf gewidmet, so die Erfahrung von Wolfram Hilpert, Re­fe­rent bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, die erst jüngst die Online- Broschüre „Zu viel Zeit am Bildschirm? Wenn die Faszination am Computer­spielen Sorgen macht“ veröffentlicht hat (www. bundespruefstelle.de). Die Eltern zeigten aber häufig zu spät Sensibilität für dieses Thema, hat Hilpert beob­achtet. In der Erziehung sei es unbedingt notwendig, den Computerspiel­konsum zu regeln und die Zeit dafür zu begrenzen.