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„Gigabit statt megafit?“ - 17. Fachtagung des Forums Medienpädagogik der BLM erörtert Frage nach dem medialen Einfluss auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

28.10.2011 | 76 2011

Die Colaflasche griffbereit, der Zettel mit dem Pizzaservice an der Wand, die Hand an der Maus und ein Klick auf den Panzerabschuss in einem Egoshooter – ein Szenario, mit dem in den Medien gerne die gesundheitsschädigende Wirkung von extensivem Medienkonsum beschrieben wird. Also „Gigabit statt megafit?“ Nein, so einfach lässt sich die Frage nach dem „medialen Einfluss auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ nicht beantworten, so das Fazit der Experten auf der 17. Fachtagung des Forums Medienpädagogik der BLM.

Die gestrige Fachtagung zeigte den mehr als 150 Teilnehmern, welche gesundheitlichen Risiken es gibt (z.B. Übergewicht oder Abhängigkeitspotenzial der Online-Spiele) und wie mediale Angebote zur Gesundheitsförderung genutzt werden können. Auf ein weiteres aktuelles Thema der Tagung, Cybermobbing, hatte Moderator Helmut Wöckel, Mitglied des BLM-Medienrats, zum Auftakt mit Bezug auf den preisgekrönten Film „Homevideo“ hingewiesen, in dem es um ein Cybermobbing-Opfer geht. BLM-Präsident Siegfried Schneider betonte in seiner Begrüßung, dass problematisches Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen zugenommen habe und auch gesundheitliche Risiken berge. Es müssten aber auch positive Aspekte der Medienangebote aufgezeigt werden.

„Mediennutzung und Medieninhalte sind nicht per se gesundheitsschädlich“, resümierte Dr. Claudia Lampert vom Hans-Bredow-Institut, die in ihrem Referat „Aspekte der Gesundheitsförderung durch die Medien“ erläuterte. Statt Horrorszenarien zu zeichnen, sollten gesundheitsbezogene Inhalte von den Medien lieber häufiger zum Thema gemacht werden. Diese Empfehlung hatte auch Prof. em. Dr. Heiner Keupp, Vorsitzender der Berichtskommission für den 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung, in seiner Einführung gegeben. Er warnte davor, dem Medientrend zu erliegen, „Kindheit und Jugend immer häufiger unter pathogenen Verdacht“ zu stellen. Die Mehrheit wachse gesund auf. Das Gesundheitsverhalten hätte stark mit der sozialen Herkunft zu tun und extensive Mediennutzung wäre meist nur ein Symptom für verborgene Probleme. Gleichwohl sei nicht zu leugnen, dass es sehr wohl gesundheitliche Risiken im Zusammenhang mit der Mediennutzung gebe. So steigt die körperlich-sportliche Inaktivität und die Adipositas-Rate bei Kindern und Jugendlichen nach den Befunden der KIGGS-Studie (Kinder- und Jugendgesundheitssurvey) vom Robert-Koch-Institut mit zunehmender Mediennutzung. Während beispielsweise der Adipositas-Anteil unter den Jungen bei einer Mediennutzungszeit bis zu 60 Minuten pro Tag bei 4,9 Prozent liegt, sind es bei mehr als 360 Minuten täglich schon 10,9 Prozent.

Doch gerade bei vielen jungen Mädchen ist nicht das massive Übergewicht das Problem, sondern Magersucht. Was in den Medien vermittelte Schönheitsideale bewirken können, erläuterte Katrin Raabe, Geschäftsführerin der Initiative LuCa. Als Beispiel für eine präventive Maßnahme bezüglich Essstörungen zeigte sie ein medienkritisches Fotoprojekt („Was heißt hier schön?“), in dem die Mogelpackungen von Covergirls auf Zeitschriften aufgedeckt werden. Das freimütige Eingeständnis der digitalen Bildbearbeiter: „Alles, was wir sehen, ist Illusion.“ Essstörungen wie Magersucht sind auch ein Schwerpunkt der bke-Onlineberatung – ein virtuelles Beratungsangebot. Jutta Steck-Kirschner berichtete, wie erfolgreich in diesem Fall die Anonymität des Netzes für Einzelberatungen und moderierte Foren genutzt wird.

Anonymität, die sich im Falle von Cybermobbing als schwerwiegendes Problem erweist, erläuterte Dr. Catharina Christina Kratzer vom Bündnis gegen Cybermobbing. Die Täter von Mobbing-Handlungen in Chats oder sozialen Netzwerken seien schwer zu identifizieren und hätten eine niedrigere Hemmschwelle als im „face-to-face“-Kontakt. Besonders problematisch sei die Verbindung von realer und virtueller Gewalt (Prügeleien werden gefilmt und ins Internet gestellt). Ihre Empfehlung: den Lernort Schule sowie Eltern und Freunde bei der Prävention stärker einzubeziehen.

Genauso wie das Cybermobbing steht auch das Thema „Abhängigkeitspotenziale von Internet- und Computerspielen“ immer stärker im Fokus der Öffentlichkeit. Andrija Vukicevic, der an der Medizinischen Hochschule in Hannover eine Mediensprechstunde anbietet, zitierte aus der Rumpf-Studie von 2011, dass es in Deutschland über 500.000 Betroffene gebe, die vom Internet abhängig sind. Meist führe exzessive Nutzung von Online-Rollenspielen zu einem Abhängigkeitsverhältnis, das immer noch unterschätzt werde. Der Wettbewerbsgedanke, andere Identitätsentwürfe, Alltagsflucht, sozialer Austausch und vermeintlicher Stressabbau gehörten zu den Kriterien für das Suchtpotenzial von Internetspielen. Die Aufklärung über dieses Potenzial sei dringend notwendig, aber, so der Psychologe, in diesem Falle könne Medienkompetenz auch einmal Medienabstinenz bedeuten.

Auf einer Ideenbörse gab es die Möglichkeit, sich mit den Referenten auszutauschen und weiterführende Informationen zu den Schwerpunktthemen zu erhalten.

  
>> Kontakt: Bettina Pregel, Tel. (089) 63808-318, bettina.pregel@blm.de