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„Wer nicht eingreift, ist mitverantwortlich“ – „Bystander“ im Fokus der Cybermobbing-Prävention: 20. Fachtagung des Forums Medienpädagogik der BLM zum Mobbing im Web 2.0

07.11.2014 | 62 2014

Was Erwachsene schon als Cybermobbing empfinden, ist für Jugendliche oft noch harmloses Hänseln. „Necken, verspotten, schikanieren? Wann Cybermobbing beginnt und was man dagegen tun kann“ – unter diesem Motto stand deshalb die 20. Fachtagung des Forums Medienpädagogik, die gestern in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) stattfand.
 
„Digitaler Smalltalk kann sich so hochschaukeln, dass es für die Opfer nicht mehr zu ertragen ist. Was Cybermobbing so problematisch macht, ist, dass die Opfer – anders als beim Offline-Mobbing auf dem Pausenhof – keine Rückzugsmöglichkeiten mehr haben: Sie nehmen die Beleidigungen, Bloßstellungen oder Belästigungen auf dem Smartphone mit nach Hause“, so beschrieb BLM-Präsident Siegfried Schneider den Wandel des Phänomens Mobbing in Online-Zeiten.
 
Ein brisantes Thema, das die mehr als 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ausgebuchten Veranstaltung einen Tag lang in Referaten und Workshops beschäftigte – immer mit dem Ziel vor Augen, „neue Medien sinnvoll zu nutzen und dabei menschlich zu bleiben“, seit 20 Jahren Antrieb der Fachtagung.
 
Dass Kinder gemein und auch gnadenlos sein können, ist nicht neu. Verena Weigand, Bereichsleiterin Medienkompetenz und Jugendschutz der BLM und stellvertretende Vorstandvorsitzende der Stiftung Medienpädagogik Bayern, machte das in ihrem Eröffnungsreferat deutlich. Sie zeigte Mobbing gestern und heute an Filmbeispielen vom „Hässlichen Entlein“ über den „jungen Törleß“ und „Deutschland sucht den Superstar“ bis hin zu einem Exkurs in den Musikbereich. „Nicht die Menschen, erst recht nicht die Kinder und Jugendlichen, sind grausamer geworden. Es sind die Mittel, die Mobbing heute noch problematischer machen“, resümierte Weigand mit Blick auf die besondere Problematik des Cybermobbings.
 
Die Digitalisierung der Gesellschaft hat die Kommunikationsräume erweitert und damit den Raum, in dem Menschen Konflikte austragen. Deshalb plädierte Prof. Dr. Petra Grimm von der Hochschule der Medien in Stuttgart in ihrem Vortrag über „verletzendes Onlineverhalten aus medienethischer Sicht“ für eine „Ethik der Achtsamkeit“ und forderte eine „Netzcourage als neue Form der Zivilcourage, um Mobbingopfer zu stärken“. Gerade die Rolle der „Bystander“, also der Mitläufer, die das Mobbing beobachten, müsse in der Präventionsarbeit verstärkt in den Vordergrund rücken.
 
„Jugendliche sind bei Cybermobbing mitverantwortlich, wenn sie nicht eingreifen“, so brachte es Mareike Schemmerling, medienpädagogische Referentin am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, auf den Punkt und nannte die fragwürdige Einstellung vieler Digital Natives „Egal 2.0“. Nicht nur auf Täter und Opfer, sondern gerade auch auf die Bystander zielt das Projekt „ICH WIR IHR im Netz – Werkstätten zur Förderung von Werte- und Medienkompetenz“, das Schemmerling vorstellte. Von ihren positiven Erfahrungen mit einem Planspiel „Cyber-Mobbing“ berichtete Beatrix Benz, Referentin für Jugendmedienschutz und Medienpädagogik bei der Aktion Jugendschutz der Landesarbeitsstelle Bayern. Schwierig sei momentan in ihren Augen die Beliebtheit des Dienstes WhatsApp, da hier „ganz viel in geschlossenen Gruppen stattfindet, auf die Erwachsene keinen Zugriff haben“. Schriftliche Klassen- oder Gruppenvereinbarungen, die alle Beteiligten unterschreiben müssen, sind ihrer Meinung nach daher zur Prävention unerlässlich.
 
„Man muss nicht nur mit Täter und Opfer, sondern mit der ganzen Klasse arbeiten“, dieser Meinung war auch Markus Prummer von der Staatlichen Schulberatungsstelle Schwaben. Er plädierte für eine Anti-Mobbing-Konvention an Schulen, um ein einheitliches Vorgehen zu erreichen. Erfahrungen bei der Elternarbeit waren das Thema von Oliver Arnold, Referent des Medienpädagogischen Referentennetzwerks Bayern. Seine Beobachtung: „Cybermobbing ist für viele Eltern heute noch ein vorwiegend technisches Problem der neuen Medien. Der persönliche, emotionale Aspekt wird oft vernachlässigt.“ Eine Folge davon sei, dass viele Eltern in dem Bereich den Kontakt zu ihren Kindern verloren hätten und sich deshalb Aktionspläne der Schulen wünschten.
 
Erkenntnisse, die Handlungsbedarf signalisieren. Moderator Dr. Erich Jooß, Vorsitzender des BLM-Medienrats, stellte daher in seiner abschließenden Zusammenfassung fest, dass Cybermobbing nicht nur ein medienpädagogisches Thema, sondern „ein gesellschaftliches Problem insgesamt“ sei.