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Siegfried Schneider fordert „emotionale Offenheit gegenüber Neuem“ - 4. Medieninnovationstag der BLM
27.04.2017 | 31 2017
„Medien in der Plattformfalle?“
Dr. Holger Schmidt, Journalist und Autor, ermahnte die Medienunternehmen in seinem Vortrag „Innovate or die“, nicht stehenzubleiben, sondern ihr Geschäftsmodell immer wieder neu zu überdenken und anzupassen. In den USA fließe das Wachstum des Werbemarktes vollständig in die beiden Plattformen Facebook und Google – und das gelte tendenziell auch für Deutschland. Um sich als Unternehmer auch einen Teil dieses Kuchens zu sichern, müsse man Wege finden, den Leser an diesen Plattformen vorbei zu lotsen. Seine Idee: Der Einsatz von Roboterjournalismus und Predictive Analytics, wie es die Financial Times vormacht. Nicht ganz neu ist sein Ansatz, Newsletter zu nutzen, um Nutzer bereits um 7 Uhr morgens mit maßgeschneiderten Nachrichten zu versorgen. Konkrete Empfehlungen:
- Daten über Leser erheben und daraus lernen
- Glaubwürdigkeit als Wettbewerbsvorteil nutzen
- Weg vom Massengeschmack des Plattformgeschäfts hin zu Nischen
Eine Nische scheint der Sport-Streamingdienst „DAZN“ gefunden zu haben. Haruka Gruber, Global Publishing Director des erfolgreichen Münchner Startups, stellte in seinem Vortrag die Vorteile von Streaming gegenüber linearen Fernsehen vor. Der Nutzer wird als Fan mit hohem Service ins Zentrum gestellt und es werden Nischensportarten wie Rugby, Dart, Bowling oder Pferderennen gezeigt. Ein Paradebeispiel für erfolgreiche Nischen-Besetzung.
Die Antwort auf Fake-News
Gudrun Riedl, stellvertretende Redaktionsleiterin von BR24 stellte das Tool „FactFox“ vor. Damit will sie nichts Geringeres, als „das Netz wieder sauber von falschen Behauptungen“ bekommen. Die IT-Lösung prüft Behauptungen mittels einer Chrome-Browser-Extension per Mausklick schnell und einfach.
Glaubwürdigkeit wiedererlangen
„Das Wiedererlangen von Vertrauen ist eine Kernaufgabe des neuen Journalismus.“ Das war eine zentrale Aussage der Podiumsdiskussion „Make Journalism great again“. Dabei diskutierten Alexander von Streit (Krautreporter), Florian Skrabal (Dossier), Matthias Walter (RTL II) und Gudrun Riedl (BR24). Marken müssten gestärkt und der Journalist als Person in den Mittelpunkt gestellt werden. Noch wichtiger auf dem Weg zurück zur Glaubwürdigkeit sei jedoch Transparenz. Die gesamte Medienbranche müsse an einem Strang ziehen und den Menschen erklären, wie Journalismus funktioniert. Die Aufgabe: Medienkompetenz vermitteln! „Dazu gehört auch zu verstehen, wie der Facebook Algorithmus arbeitet“, betonte Alexander von Streit.
Junge Gründer für neuen Journalismus
Bei zwei Start-up-Sessions zeigten Gründer aus Berlin, München und Bremen neue Wege des Journalismus. „Steady“ aus Berlin hilft jungen Journalisten mit einem Abo-Modell. Die Suchmaschine für Gesprochenes „Spaactor“ unterstützt Recherchen bei Video- und Hörfunkbeiträgen laut eigener Aussage besser als Google. „Opinary“ ist mittlerweile die größte Engagement-Plattform weltweit und fordert User auf, sich am Dialog zu beteiligen und fördert so die Konvertierung von Lesern zu engagierten Nutzern. Das innovative Advertising Start-up „ZeniAd“ bringt Werbung in die virtuelle Welt.
In der zweiten Runde am Nachmittag stand das Top-Thema des Tages im Mittelpunkt: Fakten und Nachrichten richtig einordnen. Im Media Lab Bayern Spezial stellten sich gleich fünf junge Gründer vor, die von der BLM unterstützt werden. „Picter“, eine cloud-basierte Media Publishing Plattform erleichtert die Bildauswahl in Redaktionen von der Bildproduktion bis zur Veröffentlichung. Zweiter Präsentator war „wafana“, die erste Fakten-Check Agentur in Deutschland. Coachings und technische Verifizierungshilfen helfen Redakteuren, Fakten einzuordnen. „Mashtag“ das „New Media“ Redaktionssystem kuratiert und bewertet Nachrichten nach Relevanz für Leser. Die Gründer von „Buzzard“ zeigen zu allen politischen Themen Pro- und Contra-Artikel und damit unparteiische Perspektiven abseits der Leitmedien. Wie transparenter und fairer Datenaustausch zwischen Nutzern und Wirtschaftsunternehmen funktioniert, zeigten abschließend die Gründer von „personiq“.
Das auch etablierte Medienunternehmen zu Innovationen fähig sind, belegte Alexander Schaffer, Programmleiter von Bayern 2 Radio. Er stellte die neue Bayern 2 App vor, die über das Nutzerverhalten mitlernt. Die App merkt sich Inhalte, die der Nutzer nicht hören möchte und solche, die ihm gefallen haben und stellt das Programm individuell neu zusammen.
Eine Deutschland-Premiere zum Finale
Eine Premiere zeigte Oliver Markert, Director Focus local. „Focus local“ produziert mit 25 Mitarbeitern 68.000 Artikel pro Monat für den Lokaljournalismus. Der Content entsteht über einen eigens programmierten Mail-Roboter, Importer wie die „dpa Regiolines“ und autorisierte Nachrichtenquellen wie Behörden und Nachbarschafts-Communities. Alleine 11.0000 Wetter-Artikel kommen täglich von einem Wetter-Roboter und auch „User Generated Content“ ist ein Thema. Ziel bis zum Jahresende seien über voll- und halbautomatisierte Prozesse pro Monat 2 Millionen Artikel für die Lokalberichterstattung zu generieren.
Gründer Holger Weiss bildete den Schlusspunkt des Medieninnovationstages. ‚Hände ans Lenkrad und Auge auf die Straße’ ist das Ziel des Start-ups „Chris“. Medien-Nutzung im Auto ist immer noch ein Problem, das viele Autofahrer kennen. Die integriere Hard- und Software „Chris“ vereinfacht als Interface die Kommunikation zwischen mobilen Endgeräten und dem Fahrer.
„Emotionale Offenheit gegenüber Neuem“, so wie es BLM-Präsident Schneider gefordert hatte, war während des vierten media.innovations allerorten spürbar. Nun gilt es, sie in die Medienlandschaft und in die breite Öffentlichkeit zu tragen.
Weitere Informationen, Vorträge, Fotos und den Live-Blog zur Veranstaltung inklusive Interviews mit den Referenten finden Sie hier.