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Voll real oder bald nur noch gescripted? - 6. Deutscher Social TV Summit mit „Social Storytelling“ im Fokus
27.06.2017 | 46 2017
Unter dem Motto „Mit Social Storytelling zur Medienmacht?“ hatten die BLM und die Medientage München GmbH ein so informationsreiches Programm im Münchner Literaturhaus zusammengestellt, dass manches mobile Gerät meldete: „Maximale Notizgröße erreicht“. Ein Fazit des Tages: Längst sind die Grenzen zwischen TV und Social Web fließend geworden und die Produktion für Social Media hat sich professionalisiert. Oder wie Daniel Panto von Endemol Shine es ausdrückte: „Einfach mal Handyvideo ist nicht mehr.“
Um im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Zuschauer und Nutzer mit Social Storytelling zu punkten, müssen „bewegte und bewegende Geschichten“ erzählt werden, so BLM-Präsident Siegfried Schneider in seinem Grußwort. Dabei spielten Transparenz und die Glaubwürdigkeitsfrage eine wichtige Rolle, betonte er mit Blick auf die bisher mangelnde Werbekennzeichnung in Social Videos.
Längst werben erfolgreiche YouTuber, Instagrammer und Snapchatter als so genannte „Influencer“ für Produkte und Marken, um sich dadurch zu refinanzieren. Vermarktet werden sie von Agenturen wie InCircles oder Reach Hero, deren Gründer Christian Chyzyk in der Diskussion „Gestatten Influencer!“ betonte, dass Transparenz gegenüber Nutzern und Werbekunden notwendig sei und er deshalb auch die FAQs der Medienanstalten zur Lektüre empfehle. Ein weiteres Zeichen für die Professionalisierung der Branche.
Was für eine enorme Entwicklung das Social Storytelling gemacht hat, zeigte Bertram Gugel in seiner Keynote. Stories werden heute über Plattformen und Kanalgrenzen hinweg erzählt, zum Beispiel beim Thema Gaming: Mit Let’s Play-Videoblogs hat es mal angefangen. Mittlerweile werden Rahmen für eine größere Handlung geschaffen, längere Storylines geschrieben, Teams treten gegeneinander an und der Daily Vlog ist zur Daily Soap geworden. Seine These: „voll“ real und Authentizität waren gestern, künftig werden gescriptete Stories dominieren.
Das wollte YouTuber Steve Heng nicht unwidersprochen stehen lassen und wandte auf dem Podium und via Twitter ein: Das Reale werde immer Bestandteil bleiben und manche Stars wie Bibi arbeiteten immer noch bewusst authentisch, also z.B. ohne Richtmikro, um das Laienhafte aus Anfangszeiten beizubehalten. Ob mit oder ohne Ausbildung bzw. Erfahrung: Auf You Tube kann jeder produzieren. Der Produktionsprozess sei quasi demokratisiert worden, resümierte Moderator Michael Praetorius (im Wechsel mit Moderatorin Geraldine de Bastion) die Diskussionsrunde zum „Spagat zwischen TV und Social Web“.
Mittlerweile holen sich auch Sender wie Sky Sport bewusst „Social Media-Sidekicks“ in die Moderation eines Sportereignisses, um die junge Zielgruppen zu gewinnen. TV-Produzent Brainpool wertet alle seine Comedyformate unter der Dachmarke „MySpass“ auf YouTube aus und RTL2 hat mit YOU gleich einen ganzen Online-Sender mit neuen Formaten geschaffen. Aber eines ist klar: „Videos, die im Social Web laufen, funktionieren nicht ohne Weiteres im TV.“ Denn man müsse sich darüber austauschen können, betonte Kathrin Ruther vom MDR-Entwicklungslabor.
Doch wie muss welcher Kanal bespielt werden? Welche jeweiligen Vorteile bieten Instagram, Snapchat und YouTube? So setzt Snapchat-Beraterin Virginia Salas Kastilio (Ginicanbreathe) auf die Storytelling-Möglichkeiten der App, Instagram-Influencerin Roxana Strasser (Roxis Ecke) auf die Authentizität von Instragram-Stories und vor allem auf „Links, Links, Links“. Für den Streaming-Kanal Rocket Beans TV dagegen ist You Tube insbesondere für Longcontent-Formate geeignet, die nicht hauptsächlich mobil konsumiert werden.
Das Spektrum an Möglichkeiten scheint schier unendlich zu sein, wie der Summit zeigte. So können aus Social Movies Events werden (Social Movie Night), YouTuber regional netzwerken (TubeMunich) oder Musiker, Major-Labels und Radiosender gegenseitig von der Plattform und Fundgrube Social Web profitieren. Und längst werden auch informative Inhalte wie Forschungs- oder Wissenschaftsthemen zu teilbaren Videos („Science Nature Page“ und „In a nutshell“). Das gilt auch für die Aufbereitung politischer Themen für Snapchat Discover, bedeutet aber in jedem Fall eine Menge Arbeit und kein einfaches „Copy & Paste“: An der Reichweite gemessen, sei Snapchat Discover die erfolgreichste Produkteinführung der Spiegel-Gruppe gewesen, berichtete Torsten Beeck. Selbst harte Themen wie die „Kinderehe“ funktionierten, wenn sie die Zielgruppe ansprechen. Für Spiegel Online sind das bei Snapchat Discover meist weibliche Nutzer unter 25 Jahren.
Eine neue Zielgruppe zu erreichen, ist für eine Marke die eine Seite der Medaille. Doch wie lässt sich mit dem Traffic auf den Social Media-Kanälen Geld verdienen? Zum Beispiel mit der Bewertung des Kontakts (Engagement KPI), Geotests und Media Mix Modeling wie Charlotte Preut und Celina Steffen von Zalando erläuterten.
Für die Marken bietet das Social Web also zusätzliche Vermarktungsmöglichkeiten, die Creator selbst haben es mit der Refinanzierung ihrer Aktivitäten aber nicht so leicht: Werbung für Traffic, Abonnements, Crowdfunding und Merchandising bieten sich an – als Gegenleistung für harte Arbeit. YouTuber Philipp Dettmer von „In a Nutshell“ hat nach vier Jahren zwar eine Firma mit 16 Leuten aufgebaut, die ca. 16-18 animierte Videos pro Jahr produzieren. Er verdeutlicht aber: „In einem Video von fünf bis sieben Minuten stecken 500 Arbeitsstunden.“
Weitere Informationen und Fotos zur Veranstaltung finden Sie hier.
Kontakt:
Bettina Pregel
Tel.: (089) 638 08-318
bettina.pregel@blm.de