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Die Deutsche Telekom AG, genauer gesagt der Vorstandsvorsitzende, Herr Dr. Ron Sommer, hat für den kommenden Dienstag zum sogenannten "Runden Tisch" eingeladen. Es sind in Bonn am 20.05.1997 vor allem die Länder, die Fernsehunternehmer und die Landesmedienanstalten vertreten. Bei dem Gespräch geht es um die Fortentwicklung und Modernisierung des Kabelfernsehens und um "verläßliche neue Rahmenbedingungen" mit dem Ziel, zwischen allen Beteiligten einen Konsens zu erreichen.
Heute abend findet die konstituierende Sitzung der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) statt. Daran wird der Vorsitzende der Direktorenkonferenz, der Direktor der LPR Rheinland-Pfalz, Herr Dr. Reiner Hochstein, ebenso teilnehmen wie der Leiter der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Herr Staatssekretär Klaus Rüter, der Ministerpräsident Kurt Beck, den Vorsitzenden der Rundfunkkomission der Länder, vertritt. Die Sitzung findet im Schloß Cäcilienhof in Potsdam statt.
Heute früh um 10.00 Uhr hat das OLG Hamburg in einem von dem Pay-TV-Sender Premiere gegen das von der KirchGruppe betriebene Digitale Fernsehen DF 1, betriebenen Verfahren ein Urteil des Hamburger Landgerichts aufgehoben, wonach das Digitale Fernsehen DF 1 ausschließlich in Bayern Abonnements verkaufen dürfe. Über die verschiedenen bisherigen Entscheidungen hatte ich ja berichtet.
Die Entscheidung von heute, der inbesondere wettbewerbsrechtliche Erwägungen zugrundeliegen, bedeutet, daß DF 1 durch den erweiterten Vertrag mit der BLM auch außerhalb Bayerns und außerhalb der Länder, in denen von der zuständigen Landesmedienanstalt eine zusätzliche Genehmigung zur Verbreitung des Programms von DF 1 erteilt wurde, sein Programmangebot über Satellit vermarkten und Abonennten werben kann. Damit kann DF 1 offensiv und energisch die Entwicklung des digitalen Fernsehen voranbringen.
Am Montag dieser Woche wurde Kabel 1 der Beschluß der Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen (LfR) zugestellt, daß zum 31. Mai 1997 der bisherige Kanalplatz von Kabel 1 mit dem Programm des öffentlich-rechtlichen Dokumentations- und Ereigniskanals "Phoenix" belegt wird. In diesem Beschluß, der zeitgleich der Telekom zugestellt wurde, hat die LfR außerdem Sofortvollzug angeordnet. Wenn dieser Beschluß realisiert und durchgesetzt werden kann, bedeutet dies für Kabel 1 den Verlust von 80% aller Kabelhaushalte in Nordrhein-Westfalen - jedenfalls so lange, bis die Telekom einen neuen Sendekanal zur Verfügung gestellt hat. Dies wiederum könnte wenigstens ein positives Ergebnis des "Runden Tischs" am 20.05.1997 sein.
Im Zusammenhang mit den Berichten über den beabsichtigten Kredit an Kirch durch die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA) lief in Nordrhein-Westfalen eine bemerkenswerte standortpolitisch geprägte Grundsatzdiskussion über ein mögliches Engagement der KirchGruppe im dortigen Land. Ich darf kurz Herrn Wolfgang Clement, Minister für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr, zitieren, der auf eine mündliche Anfrage der CDU eingegangen ist (LT-DRS 12/1947 v. 23.04.1997) und über längere Passagen hin des Lobes voll ist über das wachsende Engagement der KirchGruppe in Nordrhein-Westfalen. Da liest man dann Aussagen wie - ich zitiere -
"Die KirchGruppe gehört zu den bedeutendsten Medienunternehmen in Europa, vermutlich sogar darüber hinaus" oder
"Deshalb will ich deutlich sagen, daß die KirchGruppe mit Investitionen hier in Nordrhein-Westfalen willkommen ist. Ich will die Unternehmen der KirchGruppe auch für die Zukunft ermutigen, bei uns zu investieren, uns Arbeitsplätze zu schaffen."
Und an anderer Stelle:
"Ich stehe übrigens nicht an hinzuzufügen, daß ich seine (gemeint ist Dr. Kirch´s) medienwirtschaftlichen Fähigkeiten und seine unternehmerischen Fähigkeiten auch im Vergleich mit anderen sehr hoch einschätze. Ich halte ein solches Unternehmen, das in der Tat viele Arbeitsplätze schaffen kann - die Medienwirtschaft gehört ja zu den zukunftsfähigsten Branchen in Nordrhein-Westfalen - für sehr wichtig."
Soweit einige der sehr bemerkenswerten Ausführungen aus der Antwort des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministers, der im Zusammenhang mit der Diskussion um den Kirch-Kredit und das Unternehmen Kirch alles versucht, um daraus positive Wirkungen für den Medienstandort Nordrhein-Westfalen zu erzielen.
Ich habe in meinem heutigen Bericht auf diese Äußerungen von Herrn Clement verwiesen, weil auch dadurch deutlich wird, welch starke standort- und medienpolitische Bedeutung die jetzt anstehenden Entscheidungen erlangen, die ich eingangs z.T. erwähnt habe. Dies gilt in ganz besonderer Weise, wie von mir schon mehrfach in Berichten erwähnt, für die Schlüsselrolle der Deutschen Telekom, die offensichtlich ihre starke Position am Markt auch nutzt, um Weichenstellungen in ihrem Sinne vorzunehmen. Das jetzt bekannt gewordene Diskussionspapier zum "Runden Tisch" macht dies wieder einmal deutlich. In diesem Papier finden Sie gerade keine Antwort auf die Fragen, die uns auf den Nägeln brennen, weder im Hinblick auf die zukünftigen Chancen des Mittelstandes bei der Weiterentwicklung des digitalen Fernsehens, noch im Hinblick auf die Bedingungen für den weiteren Ausbau analoger Kabelnetze.
Keine Antwort gibt das Papier auf die Frage, wann denn die Technik verfügbar ist, die die Deutsche Telekom nach dem Papier anbieten will, welche Kosten mit der Nutzung der digitalen Übertragungswege verbunden sind, wie die Wettbewerbsbedingungen aussehen, wenn private Unternehmen die Netze der Telekom nutzen, aber nicht auf eigene Kundenverwaltung und eigenes Marketing verzichten wollen. Die vorgeschlagenen Lösungsansätze der Telekom bedeuten, daß sie wiederum selbst die Entwicklung in ihrem Sinne steuern möchte und ihre marktbeherrschende Stellung entsprechend ausnutzt. Dis birgt gleichzeitig die Gefahr, daß die Grundsatzdiskussion am "Runden Tisch" ohne die erwarteten konkreten Antworten bleiben wird und damit jedenfalls auf absehbare Zeit weiter Verzögerung und Blockade der Entwicklung durch diese Politik Faktum bleiben.
Dabei verkenne ich nicht, daß sich die Telekom offensichtlich ein Stück bewegt, z.B. sehr konkret bei der Frage des Ausbaus analoger Netze, wo zwei weitere Kanäle kurzfristig zur Verfügung gestellt werden sollen - immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, aber eine solche Entscheidung reicht bei weitem nicht aus, um die Problemlagen der Kanalbelegung insgesamt zu lösen. Wir werden hierüber im Zusammenhang mit der Neufassung der Kanalbelegungssatzung noch zu beraten haben. Wir haben ja - ich habe eingangs darauf hingewiesen - mit Gerichtsentscheidungen über die ungelöste Problematik der technischen Verbreitung hinaus bei der Einführung und Entwicklung digitalen Fernsehens auch offene medienrechtliche Fragen zu lösen, weil ja bis heute jedenfalls DF 1 keine dauerhafte Genehmigung hat, sondern auf der Grundlage der bayerischen Versuchsklausel und des auf dieser Basis mit der BLM abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages sendet.
Morgen tagt die DVB-Arbeitsgruppe der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten im Rahmen des Abstimmungsverfahrens zu DF 1 und berät über eine dann dauerhafte Genehmigung mit bundesweitem Weiterverbreitungsanspruch. Ich glaube, wir sind dabei auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel.
Am nächsten Mittwoch tritt die Direktorenkonferenz zusammen, bei der die Abstimmung zu DF 1 auf der Tagesordnung steht. Dabei spielen auch Jugendschutzfragen eine Rolle. Auch hier gibt es Bewegung, und ich hoffe, wir kommen zu akzeptablen Lösungen. Es besteht jedenfalls eine dringende Notwendigkeit, nicht durch medienrechtliche Problemlagen ein so zartes Pflänzchen, wie es digitales Fernsehen zur Zeit noch ist durch zu strenge, bürokratische und einschränkende Vorgaben am Wachsen zu hindern, und ggf. zu ersticken. Ich denke, daß die Direktorenkonferenz insgesamt dem Unterfangen digitales Fernsehen aufgeschlossen gegenübersteht und hoffentlich in der Abstimmung zu schnellen Ergebnissen kommt. Dabei ist heute allerdings immer noch nicht klar, wann und in welcher Form die KEK zu Ergebnissen kommt, die ja in den Entscheidungsverfahren eine wichtige Rolle hat - sie muß eine Feststellung zur Frage der Konzentration treffen. Die endgültige Entscheidung trifft dann nach Vorberatung in den Ausschüssen der Medienrat. Ich hoffe, dies kann bereits in der nächsten, oder spätestens in der übernächsten Sitzung geschehen.