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- 2006
Der Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien hat mich in seiner letzten Sitzung am 26. Januar beauftragt, die Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten (KDLM) im Verfahren Kauf der ProSiebenSat.1 Media AG durch die Axel Springer AG anzurufen. Ziel der Anrufung der KDLM war es festzustellen, dass der Fortsetzung der Anbietertätigkeit der von der Landeszentrale genehmigten Programmanbieter Kabel 1, N24 und 9Live nach der angemeldeten Änderung der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse unter Berücksichtigung der von der Axel Springer AG selbst angebotenen Maßnahmen Gründe der Meinungsvielfalt im Fernsehen nicht entgegenstehen. Der Medienrat hat damit deutlich gemacht, dass er von der Entscheidung der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) vom 10. Januar 2006 abweichen will. Die KEK hat in ihrer Entscheidung gemäß § 29 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) das Entstehen vorherrschender Meinungsmacht angenommen und die Übernahme nicht für unbedenklich erklärt. Ich beziehe mich auf die letzte ausführliche Diskussion im Medienrat und erinnere nochmals daran, dass die Mehrheit des Medienrats die Auffassung vertreten hat, dass die negative Entscheidung der KEK rechtwidrig ist.
Kurz zusammengefasst, verweise ich nochmals auf die wesentlichen Entscheidungsgründe. Ausgangspunkt war zum einen, dass die KEK nicht befugt ist, eine Gesamtwürdigung des Sachverhalts vorzunehmen, weil die im Staatsvertrag genannte Relevanzschwelle von 25 % Zuschaueranteil nicht erreicht ist, denn der Marktanteil der ProSiebenSat.1 Media AG liegt lediglich bei 22,06 %. Wenn man die gesetzlich vorgesehenen Bonusprozente abzieht, nämlich 2 % für die regionalen Fernsehfenster in Sat.1 und weitere 3 % für die Drittsendezeiten, liegt der für die Beurteilung maßgebliche Zuschaueranteil aller Programme nur bei 17,06 %. Sie wissen, dass die KEK auch bei den regionalen Fernsehfenstern Probleme im Zusammenhang mit dem Bonus formuliert hat, was nichts daran geändert hat, dass sie dann doch von der falschen Stelle, nämlich von der errechneten Gesamtprozentzahl der Meinungsmacht, von 47 % die 5 % abgezogen hat. Die KEK hat ja auch unsere Entscheidung zum SAT.1-Fenster, die für die Zukunft Unabhängigkeit in der inhaltlichen Gestaltung garantiert, kritisiert, weil wir den Vertrauensschutz beachten, den bestehende Lizenzen mit sich bringen. Die KEK hat dies für rechtswidrig gehalten. In diesem Zusammenhang darf ich Sie über einen Brief informieren, den der Chef der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz am 06.02.2006 an den Vorsitzenden der DLM, Herrn Albert, zur Übermittlung an alle Landesmedienanstalten gerichtet hat. Ich darf den kurzen Brief zitieren:
Die Rundfunkkommission der Länder hat sich auf ihrer Sitzung am 02.02.2006 auch mit Fragen der Umsetzung des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrages zu § 25 Rundfunkstaatsvertrag befasst. Sie hat dazu folgenden Beschluss gefasst:
„Die Rundfunkkommission der Länder bekräftigt, dass mit den im 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vorgenommenen Neuregelungen zur Ausgestaltung der Regionalfenster bestehende Lizenzen nicht berührt werden sollten. Insofern sollte den bestehenden Regionalfensterveranstaltern Vertrauensschutz gewährt werden. Sie bittet die Landesmedienanstalten, dies entsprechend zu berücksichtigen. Die Länder werden die Entwicklung in diesem Bereich weiter beobachten und schließen entsprechende staatsvertragliche Klarstellungen nicht aus.“ Soweit der Beschlusstext.
Zurück zur KEK und der KDLM: Ich darf nochmals erinnern, dass eine ganz wesentliche Kritik an der KEK-Entscheidung auch das von der KEK gewählte Rechen- und Marktgewichtungsmodell darstellte. Der Medienrat hat festgestellt, dass die Berechnungen der KEK weder methodisch noch wissenschaftlich haltbar sind. Ich darf nochmals daran erinnern, dass das renommierte Forschungsinstitut TNS Infratest GmbH die Berechnungsmethode der KEK massiv kritisiert hat und dabei Begriffe verwendet hat, wie "willkürliche Gewichtungsfaktoren" bei den medienrelevanten Märkten und "problematische Aufteilung von Märkten" und vor allem festgestellt hat, dass es methodisch und wissenschaftlich nicht haltbar ist, Marktanteile aus verschiedenen Teilmärkten zur Gewichtung von Meinungsmacht zu addieren, weil damit der Gesamtmarktanteil über 100 % liegt. Um das ganze nochmals plastisch zu machen: So käme nach dem Berechnungsmodell der KEK die Bertelsmann-Gruppe auf einen Marktanteil von 37%. Gemeinsam kämen Springer und Bertelsmann demnach bereits auf 79% Marktanteil. Bei Einbeziehung der weiteren gewichtigen Sender und Verlage wie ARD, ZDF, Burda, Bauer, Holtzbrinck sowie aller im TV-, Hörfunk-, Print- und Onlinemarkt vertretenen Akteure, ergäbe sich nach dem Rechenmodell der KEK als Summe der Einzelgewichte eine Meinungsmacht von 290 Prozent.
Oder umgekehrt gesagt, alle sonstigen Marktteilnehmer in medienrelevanten verwandten Märkte hätten zusammen dann ein Meinungsgewicht von lediglich 21 %. Abschließend stellt Infratest fest, dass dieses Beispiel auch deutlich zeigt, dass die von der KEK gewählte Berechnungsmethode wissenschaftlichen Grundsätzen nicht genügt.
Am 31.01.2006 ist die KDLM in Erfurt zusammengetreten. Schon die Tatsache, dass eine weitere KDLM-Sitzung vereinbart wurde und die Diskussion in der KDLM hat gezeigt, dass die KDLM mit Maßnahmen und Auflagen wohl zu einem positiven Votum mit der notwendigen Dreiviertelmehrheit gekommen wäre. Dabei hat neben der grundsätzlichen juristischen Kritik an der Aufgreifschwelle, wie ich sie oben dargestellt habe, großer Konsens darüber bestanden, die Rechenmethode und Gewichtungsmethode der KEK prinzipiell in Frage zu stellen. Der Medienrat hat mit seiner Beschlussfassung hier einen ganz wichtigen Beitrag für diese kritische Diskussion geliefert. Der Vorsitzende des Medienrats, Herr Dr. Jooß, hat in seinem Bericht soeben noch einmal anschaulich gemacht, warum letztlich der Springer-Verlag von dem Vorhaben Abstand genommen hat.
Wie in der letzten Sitzung bereits dargelegt, zeigt sich jetzt, dass auch nach dem Rückzug von Springer die Auslegungs- und Entscheidungspraxis der KEK massive Auswirkungen auf die private Medienlandschaft in Deutschland haben wird. Immer deutlicher werden als mögliche Alternativen, neue Finanzinvestoren, für die ein Einstieg nur in Betracht kommt, wenn ein späterer Weiterverkauf gewinnbringend erscheint. Qualitätsgesichtspunkte bleiben dabei außen vor. Die Entwicklungsmöglichkeiten deutscher Medienunternehmen werden dadurch massiv eingeschränkt, die notwendige Planungssicherheit in Frage gestellt.
Wir stellen auch die negativen Auswirkungen auf die zweite Senderfamilie, nämlich auf Bertelsmann bereits fest. Das Unternehmen ist verunsichert, wie ich aus Gesprächen mit Vertretern von Sendern weiß. Als nächste Entscheidung steht die 100%ige Übernahme von n-tv durch die RTL-Gruppe an. Bisher hat die RTL-Gruppe 50 % an n-tv und will diesen Anteil auf 100 % aufstocken. Verkäufer des 50% Anteils ist CNN/Time-Warner. Sie haben alle gelesen, dass das Bundeskartellamt jetzt auch aufbauend auf seiner Entscheidung vom zu verhindernden Duopol zwischen Bertelsmann und Springer eine Abmahnung formuliert hat; das heißt das Bundeskartellamt steht diesem Erwerb ablehnend gegenüber, wobei das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Das n-tv-Verfahren ist auch bei der KEK anhängig und ich bin gespannt, wie mit dem Fall n-tv jetzt umgegangen wird. Das Interesse der RTL-Gruppe n-tv als Nachrichtensender weiter zu betreiben, ein Sender, der ja nur innerhalb der Programmfamilie sinnvoll finanziert werden kann, wird sicher durch solche Diskussions- und Entscheidungsprozesse nicht gerade gefördert.
Die angesprochenen Entwicklungen machen deutlich, dass es nach wie vor einer Korrektur der Entscheidung der KEK bedarf, um jedenfalls das rechtswidrige Bewertungs- und Rechenmodell zukünftig aus der Welt zu schaffen. Dies kann durch die Fortführung des Verfahrens erreicht werden, das nach wie vor bei der KDLM anhängig ist, auch wenn jetzt Springer seinen Antrag zurückziehen will. Der Beschluss der KEK vom 10.01.2006 hat immer noch Bestand; außerdem haben Mitglieder der KEK bereits angekündigt, künftig auch bei anderen Programmanbietern, nach den in der oben bezeichneten Entscheidung getroffenen Maßgaben, Überprüfungen wie im Verfahren Springer durchführen zu wollen. Es besteht daher die Gefahr, dass die irrige Rechtsauffassung der KEK, die sie auch durch Veröffentlichung ihres Beschlusses kundgetan hat, einen rechtswidrigen Zustand verfestigt. Die schon angesprochene Rechtsunsicherheit führt dazu, dass für die Zukunft keine hinreichend sichere Aussage mehr darüber getroffen werden kann, wann die Meinungsmacht auf anderen Märkten einbezogen wird und wann nicht. Ich bitte Sie daher den Dringlichkeitsantrag, so wie vorgelegt, zu beschließen.
In meinem Bericht heute möchte ich einen zweiten Punkt ansprechen: Es geht um die Planungen des Bayerischen Rundfunks für ein Jugendradio. In einem Interview mit dem Rheinischen Merkur hat sich der BR-Intendant Thomas Gruber, der heute zur Wiederwahl ansteht, erneut zur Einrichtung einer Jugendwelle des Bayerischen Rundfunks über UKW geäußert. Dabei hat er die Idee eingebracht, die UKW-Frequenzen von Bayern 4 Klassik für eine solche Jugendwelle einzusetzen und Bayern 4 Klassik dann nur noch digital auszustrahlen - natürlich in viel besserer Klangqualität als heute. Ich darf aus dem Interview zitieren „Ich finde es nicht verwerflich, sich vorzustellen, einem attraktiven, jungen Programm die UKW-Frequenz zu geben und ein sehr viel kleineres, anspruchsvolles Klassikpublikum, das jetzt schon in erheblicher Zahl auf das Kabel zurückgreift, auf digitalem Weg zu bedienen“.
Diese Ankündigungen haben einen Sturm der Entrüstung bei den privaten Anbietern ausgelöst und zu dringenden Appellen an die bayerische Landespolitik geführt, die BR-Pläne sofort zu stoppen. Kernpunkt der Kritik ist, knapp zusammengefasst, dass durch die BR-Pläne die gewachsene bayerische Radiolandschaft gefährdet wird und die privaten Sender in Existenzprobleme geraten. Der Vorsitzende des Lokalfunkverbandes (VBL) Willi Schreiner hat den Vorstoß des BR so kommentiert: „Anscheinend hat die Gebührenerhöhung die Expansionsgelüste erneut gestärkt“. Soweit das Zitat.
Das Thema Jugendradio des Bayerischen Rundfunks hat eine lange Tradition. Schon 1996 gab es eine vergleichbare Diskussion. Ich darf aus der Süddeutschen Zeitung vom 10.05.1996 zitieren: „Der BR plant ein Jugendradio“. Der damalige Hörfunkdirektor Gruber hat seinerzeit gefordert, der Bayerische Rundfunk sollte eine „sechste Frequenz haben und eine Jugendwelle machen“. Damals hat er noch festgestellt, es gäbe derzeit keine Ausstrahlungsmöglichkeit für ein weiteres Radioprogramm. Die Sorge der privaten Anbieter war damals schon, der BR könne Frequenzen freimachen, z.B. durch eine Zusammenlegung von Bayern 2 Wort und Bayern 4 Klassik. Der BR-Sprecher Tief verbannte solche Überlegungen in das Reich der Fabel. Ich zitiere: „Da denkt bei uns kein Mensch daran“. Seit 1996 gibt es die vielfältigsten Ideen und Diskussionen über ein solches Jugendprogramm. Ich darf daran erinnern, dass z.B. 1998 erwogen wurde, zwischen BR, Antenne Bayern und Lokalradios ein gemeinsames Jugendprogramm auf den Weg zu bringen.
Das Thema Jugendradio hat auch in den gemeinsamen Sitzungen zwischen dem Ältestenrat des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks und dem Beschließenden Ausschuss des Medienrats der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien eine Rolle gespielt. Wir haben in allen Sitzungen immer wieder unsere Besorgnis mit Blick auf die gewachsenen Strukturen in Bayern formuliert, wenn Pläne zur Einrichtung einer Jugendwelle realisiert würden. Wir haben aus den Gesprächen aber auch immer mitgenommen, dass der Bayerische Rundfunk die gewachsenen Strukturen prinzipiell akzeptiert und keinesfalls der BLM und den privaten Anbietern schaden wolle. Ich darf in diesem Zusammenhang den Intendanten Dr. Gruber zitieren, der in einem dieser Gespräche, nämlich am 15.11.2002, versichert hat, er sei zur Kooperation mit der BLM bereit, wo immer dies möglich sei. Das duale System habe sich komplementär entwickelt. Die Aufgabenteilung sei nicht konträr zu verstehen. Die privaten Sender würden das leisten, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht leisten könne oder wolle. Ende des Zitats. Entgegen den Verabredungen und der bisherigen Übung hat der Bayerische Rundfunk ohne jede Information die Idee der Jugendwelle auf UKW aktuell wieder in die Öffentlichkeit getragen. Wir müssen diesen Ideen, wie schon seit vielen Jahren, ganz energisch widersprechen. Wenn dies realisiert wird, werden der lokale Hörfunk in Bayern und Antenne Bayern größte Probleme bekommen. Für nicht akzeptabel im Sinne der vielbeschworenen und praktizierten Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk vor allem auch auf Zukunftsfeldern halte ich es, mit solchen Plänen in die Öffentlichkeit zu gehen, ohne nur den geringsten Versuch zu machen, uns vorher zu informieren. Es stellt sich bei diesen Überlegungen ohnehin grundsätzlich die Frage, ob ein solcher Weg, Bayern 4 Klassik auf den digitalen Übertragungsweg zu setzen und die reichweitenstarken UKW-Frequenzen für ein Jugendradio einzusetzen, überhaupt im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seines Programmauftrages liegen kann. Ich bin jedenfalls gespannt, was der Rundfunkrat und was vor allem auch die Anhänger von Bayern 4 zu solchen Plänen sagen. Wir jedenfalls sollten diesen Plänen eine strikte Absage erteilen und an alle Entscheidungsträger appellieren, von solchen Überlegungen umgehend Abstand zu nehmen.
Kurz zusammengefasst, verweise ich nochmals auf die wesentlichen Entscheidungsgründe. Ausgangspunkt war zum einen, dass die KEK nicht befugt ist, eine Gesamtwürdigung des Sachverhalts vorzunehmen, weil die im Staatsvertrag genannte Relevanzschwelle von 25 % Zuschaueranteil nicht erreicht ist, denn der Marktanteil der ProSiebenSat.1 Media AG liegt lediglich bei 22,06 %. Wenn man die gesetzlich vorgesehenen Bonusprozente abzieht, nämlich 2 % für die regionalen Fernsehfenster in Sat.1 und weitere 3 % für die Drittsendezeiten, liegt der für die Beurteilung maßgebliche Zuschaueranteil aller Programme nur bei 17,06 %. Sie wissen, dass die KEK auch bei den regionalen Fernsehfenstern Probleme im Zusammenhang mit dem Bonus formuliert hat, was nichts daran geändert hat, dass sie dann doch von der falschen Stelle, nämlich von der errechneten Gesamtprozentzahl der Meinungsmacht, von 47 % die 5 % abgezogen hat. Die KEK hat ja auch unsere Entscheidung zum SAT.1-Fenster, die für die Zukunft Unabhängigkeit in der inhaltlichen Gestaltung garantiert, kritisiert, weil wir den Vertrauensschutz beachten, den bestehende Lizenzen mit sich bringen. Die KEK hat dies für rechtswidrig gehalten. In diesem Zusammenhang darf ich Sie über einen Brief informieren, den der Chef der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz am 06.02.2006 an den Vorsitzenden der DLM, Herrn Albert, zur Übermittlung an alle Landesmedienanstalten gerichtet hat. Ich darf den kurzen Brief zitieren:
Die Rundfunkkommission der Länder hat sich auf ihrer Sitzung am 02.02.2006 auch mit Fragen der Umsetzung des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrages zu § 25 Rundfunkstaatsvertrag befasst. Sie hat dazu folgenden Beschluss gefasst:
„Die Rundfunkkommission der Länder bekräftigt, dass mit den im 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vorgenommenen Neuregelungen zur Ausgestaltung der Regionalfenster bestehende Lizenzen nicht berührt werden sollten. Insofern sollte den bestehenden Regionalfensterveranstaltern Vertrauensschutz gewährt werden. Sie bittet die Landesmedienanstalten, dies entsprechend zu berücksichtigen. Die Länder werden die Entwicklung in diesem Bereich weiter beobachten und schließen entsprechende staatsvertragliche Klarstellungen nicht aus.“ Soweit der Beschlusstext.
Zurück zur KEK und der KDLM: Ich darf nochmals erinnern, dass eine ganz wesentliche Kritik an der KEK-Entscheidung auch das von der KEK gewählte Rechen- und Marktgewichtungsmodell darstellte. Der Medienrat hat festgestellt, dass die Berechnungen der KEK weder methodisch noch wissenschaftlich haltbar sind. Ich darf nochmals daran erinnern, dass das renommierte Forschungsinstitut TNS Infratest GmbH die Berechnungsmethode der KEK massiv kritisiert hat und dabei Begriffe verwendet hat, wie "willkürliche Gewichtungsfaktoren" bei den medienrelevanten Märkten und "problematische Aufteilung von Märkten" und vor allem festgestellt hat, dass es methodisch und wissenschaftlich nicht haltbar ist, Marktanteile aus verschiedenen Teilmärkten zur Gewichtung von Meinungsmacht zu addieren, weil damit der Gesamtmarktanteil über 100 % liegt. Um das ganze nochmals plastisch zu machen: So käme nach dem Berechnungsmodell der KEK die Bertelsmann-Gruppe auf einen Marktanteil von 37%. Gemeinsam kämen Springer und Bertelsmann demnach bereits auf 79% Marktanteil. Bei Einbeziehung der weiteren gewichtigen Sender und Verlage wie ARD, ZDF, Burda, Bauer, Holtzbrinck sowie aller im TV-, Hörfunk-, Print- und Onlinemarkt vertretenen Akteure, ergäbe sich nach dem Rechenmodell der KEK als Summe der Einzelgewichte eine Meinungsmacht von 290 Prozent.
Oder umgekehrt gesagt, alle sonstigen Marktteilnehmer in medienrelevanten verwandten Märkte hätten zusammen dann ein Meinungsgewicht von lediglich 21 %. Abschließend stellt Infratest fest, dass dieses Beispiel auch deutlich zeigt, dass die von der KEK gewählte Berechnungsmethode wissenschaftlichen Grundsätzen nicht genügt.
Am 31.01.2006 ist die KDLM in Erfurt zusammengetreten. Schon die Tatsache, dass eine weitere KDLM-Sitzung vereinbart wurde und die Diskussion in der KDLM hat gezeigt, dass die KDLM mit Maßnahmen und Auflagen wohl zu einem positiven Votum mit der notwendigen Dreiviertelmehrheit gekommen wäre. Dabei hat neben der grundsätzlichen juristischen Kritik an der Aufgreifschwelle, wie ich sie oben dargestellt habe, großer Konsens darüber bestanden, die Rechenmethode und Gewichtungsmethode der KEK prinzipiell in Frage zu stellen. Der Medienrat hat mit seiner Beschlussfassung hier einen ganz wichtigen Beitrag für diese kritische Diskussion geliefert. Der Vorsitzende des Medienrats, Herr Dr. Jooß, hat in seinem Bericht soeben noch einmal anschaulich gemacht, warum letztlich der Springer-Verlag von dem Vorhaben Abstand genommen hat.
Wie in der letzten Sitzung bereits dargelegt, zeigt sich jetzt, dass auch nach dem Rückzug von Springer die Auslegungs- und Entscheidungspraxis der KEK massive Auswirkungen auf die private Medienlandschaft in Deutschland haben wird. Immer deutlicher werden als mögliche Alternativen, neue Finanzinvestoren, für die ein Einstieg nur in Betracht kommt, wenn ein späterer Weiterverkauf gewinnbringend erscheint. Qualitätsgesichtspunkte bleiben dabei außen vor. Die Entwicklungsmöglichkeiten deutscher Medienunternehmen werden dadurch massiv eingeschränkt, die notwendige Planungssicherheit in Frage gestellt.
Wir stellen auch die negativen Auswirkungen auf die zweite Senderfamilie, nämlich auf Bertelsmann bereits fest. Das Unternehmen ist verunsichert, wie ich aus Gesprächen mit Vertretern von Sendern weiß. Als nächste Entscheidung steht die 100%ige Übernahme von n-tv durch die RTL-Gruppe an. Bisher hat die RTL-Gruppe 50 % an n-tv und will diesen Anteil auf 100 % aufstocken. Verkäufer des 50% Anteils ist CNN/Time-Warner. Sie haben alle gelesen, dass das Bundeskartellamt jetzt auch aufbauend auf seiner Entscheidung vom zu verhindernden Duopol zwischen Bertelsmann und Springer eine Abmahnung formuliert hat; das heißt das Bundeskartellamt steht diesem Erwerb ablehnend gegenüber, wobei das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Das n-tv-Verfahren ist auch bei der KEK anhängig und ich bin gespannt, wie mit dem Fall n-tv jetzt umgegangen wird. Das Interesse der RTL-Gruppe n-tv als Nachrichtensender weiter zu betreiben, ein Sender, der ja nur innerhalb der Programmfamilie sinnvoll finanziert werden kann, wird sicher durch solche Diskussions- und Entscheidungsprozesse nicht gerade gefördert.
Die angesprochenen Entwicklungen machen deutlich, dass es nach wie vor einer Korrektur der Entscheidung der KEK bedarf, um jedenfalls das rechtswidrige Bewertungs- und Rechenmodell zukünftig aus der Welt zu schaffen. Dies kann durch die Fortführung des Verfahrens erreicht werden, das nach wie vor bei der KDLM anhängig ist, auch wenn jetzt Springer seinen Antrag zurückziehen will. Der Beschluss der KEK vom 10.01.2006 hat immer noch Bestand; außerdem haben Mitglieder der KEK bereits angekündigt, künftig auch bei anderen Programmanbietern, nach den in der oben bezeichneten Entscheidung getroffenen Maßgaben, Überprüfungen wie im Verfahren Springer durchführen zu wollen. Es besteht daher die Gefahr, dass die irrige Rechtsauffassung der KEK, die sie auch durch Veröffentlichung ihres Beschlusses kundgetan hat, einen rechtswidrigen Zustand verfestigt. Die schon angesprochene Rechtsunsicherheit führt dazu, dass für die Zukunft keine hinreichend sichere Aussage mehr darüber getroffen werden kann, wann die Meinungsmacht auf anderen Märkten einbezogen wird und wann nicht. Ich bitte Sie daher den Dringlichkeitsantrag, so wie vorgelegt, zu beschließen.
In meinem Bericht heute möchte ich einen zweiten Punkt ansprechen: Es geht um die Planungen des Bayerischen Rundfunks für ein Jugendradio. In einem Interview mit dem Rheinischen Merkur hat sich der BR-Intendant Thomas Gruber, der heute zur Wiederwahl ansteht, erneut zur Einrichtung einer Jugendwelle des Bayerischen Rundfunks über UKW geäußert. Dabei hat er die Idee eingebracht, die UKW-Frequenzen von Bayern 4 Klassik für eine solche Jugendwelle einzusetzen und Bayern 4 Klassik dann nur noch digital auszustrahlen - natürlich in viel besserer Klangqualität als heute. Ich darf aus dem Interview zitieren „Ich finde es nicht verwerflich, sich vorzustellen, einem attraktiven, jungen Programm die UKW-Frequenz zu geben und ein sehr viel kleineres, anspruchsvolles Klassikpublikum, das jetzt schon in erheblicher Zahl auf das Kabel zurückgreift, auf digitalem Weg zu bedienen“.
Diese Ankündigungen haben einen Sturm der Entrüstung bei den privaten Anbietern ausgelöst und zu dringenden Appellen an die bayerische Landespolitik geführt, die BR-Pläne sofort zu stoppen. Kernpunkt der Kritik ist, knapp zusammengefasst, dass durch die BR-Pläne die gewachsene bayerische Radiolandschaft gefährdet wird und die privaten Sender in Existenzprobleme geraten. Der Vorsitzende des Lokalfunkverbandes (VBL) Willi Schreiner hat den Vorstoß des BR so kommentiert: „Anscheinend hat die Gebührenerhöhung die Expansionsgelüste erneut gestärkt“. Soweit das Zitat.
Das Thema Jugendradio des Bayerischen Rundfunks hat eine lange Tradition. Schon 1996 gab es eine vergleichbare Diskussion. Ich darf aus der Süddeutschen Zeitung vom 10.05.1996 zitieren: „Der BR plant ein Jugendradio“. Der damalige Hörfunkdirektor Gruber hat seinerzeit gefordert, der Bayerische Rundfunk sollte eine „sechste Frequenz haben und eine Jugendwelle machen“. Damals hat er noch festgestellt, es gäbe derzeit keine Ausstrahlungsmöglichkeit für ein weiteres Radioprogramm. Die Sorge der privaten Anbieter war damals schon, der BR könne Frequenzen freimachen, z.B. durch eine Zusammenlegung von Bayern 2 Wort und Bayern 4 Klassik. Der BR-Sprecher Tief verbannte solche Überlegungen in das Reich der Fabel. Ich zitiere: „Da denkt bei uns kein Mensch daran“. Seit 1996 gibt es die vielfältigsten Ideen und Diskussionen über ein solches Jugendprogramm. Ich darf daran erinnern, dass z.B. 1998 erwogen wurde, zwischen BR, Antenne Bayern und Lokalradios ein gemeinsames Jugendprogramm auf den Weg zu bringen.
Das Thema Jugendradio hat auch in den gemeinsamen Sitzungen zwischen dem Ältestenrat des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks und dem Beschließenden Ausschuss des Medienrats der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien eine Rolle gespielt. Wir haben in allen Sitzungen immer wieder unsere Besorgnis mit Blick auf die gewachsenen Strukturen in Bayern formuliert, wenn Pläne zur Einrichtung einer Jugendwelle realisiert würden. Wir haben aus den Gesprächen aber auch immer mitgenommen, dass der Bayerische Rundfunk die gewachsenen Strukturen prinzipiell akzeptiert und keinesfalls der BLM und den privaten Anbietern schaden wolle. Ich darf in diesem Zusammenhang den Intendanten Dr. Gruber zitieren, der in einem dieser Gespräche, nämlich am 15.11.2002, versichert hat, er sei zur Kooperation mit der BLM bereit, wo immer dies möglich sei. Das duale System habe sich komplementär entwickelt. Die Aufgabenteilung sei nicht konträr zu verstehen. Die privaten Sender würden das leisten, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht leisten könne oder wolle. Ende des Zitats. Entgegen den Verabredungen und der bisherigen Übung hat der Bayerische Rundfunk ohne jede Information die Idee der Jugendwelle auf UKW aktuell wieder in die Öffentlichkeit getragen. Wir müssen diesen Ideen, wie schon seit vielen Jahren, ganz energisch widersprechen. Wenn dies realisiert wird, werden der lokale Hörfunk in Bayern und Antenne Bayern größte Probleme bekommen. Für nicht akzeptabel im Sinne der vielbeschworenen und praktizierten Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk vor allem auch auf Zukunftsfeldern halte ich es, mit solchen Plänen in die Öffentlichkeit zu gehen, ohne nur den geringsten Versuch zu machen, uns vorher zu informieren. Es stellt sich bei diesen Überlegungen ohnehin grundsätzlich die Frage, ob ein solcher Weg, Bayern 4 Klassik auf den digitalen Übertragungsweg zu setzen und die reichweitenstarken UKW-Frequenzen für ein Jugendradio einzusetzen, überhaupt im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seines Programmauftrages liegen kann. Ich bin jedenfalls gespannt, was der Rundfunkrat und was vor allem auch die Anhänger von Bayern 4 zu solchen Plänen sagen. Wir jedenfalls sollten diesen Plänen eine strikte Absage erteilen und an alle Entscheidungsträger appellieren, von solchen Überlegungen umgehend Abstand zu nehmen.