Musk, Zuckerberg & Co.: Regulierungsfall Social Media?
Seit Jahresbeginn haben die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) verstärkt Anfragen bundesweiter Medien zur Aufsicht über Elon Musks Plattform X erreicht. Denn für das deutsche Angebot von X (früher Twitter) ist in Deutschland die BLM zuständig.
Die BLM und die Medienanstalten thematisieren es schon seit geraumer Zeit, nun ist – seit Donald Trump und im Vorfeld der Bundestagswahl – die Entrüstung groß, dass spürbar ist, wie stark Soziale Netzwerke die (politische) Meinungsbildung beeinflussen. Als Landeszentrale haben wir in vielen Hintergrundgesprächen daraufhin gewiesen, dass seit Jahren eine Frage unbeantwortet bleibt: Welche Verantwortung sollten die Plattformen tragen? Ich möchte das zum Aufhänger nehmen, Ihnen kurz die Aktivitäten der BLM in dem Zusammenhang zu skizzieren:
Im vergangenen Jahr hatte die BLM einen Einzelfall bei X geprüft, in dem der Verdacht bestand, dass Beiträge von Elon Musk anders/besser behandelt werden. Die Hürde, einen systemischen Verstoß, also einen algorithmischen Booster zugunsten des Plattform-Eigners, zu belegen, ist hoch. Zudem ist klar, dass Algorithmen auf Posts von Elon Musk mit teilweise provokanten politischen Aussagen und seiner mit Abstand höchsten Followerschaft besonders ansprechen.
Bedenklich stimmt vor allem, mit welcher Überraschung die Öffentlichkeit zur Kenntnis nimmt, dass Community-Standards von den Plattformen jederzeit geändert werden können, die Plattformen also großen Einfluss darauf haben, welche Beiträge verbreitet und welche als unzulässig gelöscht werden. Bedenklich auch deswegen, weil offensichtlich selbst der interessierten Öffentlichkeit nicht bewusst war, dass die wirkliche Verantwortlichkeit angesichts des Haftungsprivilegs der Plattformen erst beginnt, wenn sie auf Rechtsverstöße auf ihrer Plattform hingewiesen werden. Alles andere – was so scheint, als würden die Plattformen Verantwortung übernehmen – sind tatsächlich unverbindliche Zusagen, die jederzeit geändert werden können. Und, um es an dieser Stelle deutlich zu sagen: Auch der europäische Digital Services Act (DSA) ändert daran nichts, sondern konkretisiert allenfalls das Haftungsprivileg und die Pflichten von notice-and-takedown…
Drei Problemstellungen müssen dringend nicht nur diskutiert, sondern auch vom Gesetzgeber angegangen werden, um Wettbewerbsnachteile bei Rundfunkanbietern und Rechtsdurchsetzungsdefizite auszugleichen:
- Regulierungsfall Social Media: Handelt es sich bei Social-Media-Plattformen überhaupt noch um neutrale Mittler, die nicht für die Inhalte verantwortlich sind, auch wenn sie die Inhalte über Algorithmen kuratieren? Oder widerspricht diese Rolle, auf die sich die Plattformen gerne zurückziehen, nicht der Realität? Wieso werden Plattformen haftungsprivilegiert, obwohl ihr Einfluss und damit die Gefahren, die von ihnen auf die Meinungsbildung ausgehen, ungleich höher sind, als bei jedem durchregulierten Lokalsender?
- Wir müssen Influencer als Form zeitgemäßen Journalismus begreifen und entsprechend behandeln: Sind (polit.) Influencer politisch neutral und nur werberechtlich zu betrachten? Die BLM beobachtet einzelne reichweitenstarke Influencer, die ihre Reichweiten für politische Meinungsbildung nutzen (z.B.: Vermarktungsstrategie der AfD, Accountinhaber für das Teilen ihrer Posts zu bezahlen; bezahlte Influencerkampagne der Bundesregierung während der Corona-Pandemie).
- Verbot politischer Werbung und Staatsferne der Medien gilt laut Medienstaatsvertrag bisher nur für den Rundfunk. Online-Medien sind – trotz der Grenzverschiebung bei der Meinungsbildung – weitgehend unreguliert. Doch was ist mit den Fällen, in denen Influencer für eine politische Meinung bezahlt werden? Fest steht: Wenn Influencer-Accounts überwiegend Reels, also Bewegtbild, enthalten, gelten sie als fernsehähnlich – und in solchen Angeboten ist politische Werbung und sogar Wahlwerbung nach deutschem Recht verboten…
Mit Blick auf diese Problemstellungen gilt es, ein Level Playing Field herzustellen und den Schutz des freien politischen Meinungsbildungsprozesses vom Rundfunk auf Social Media übertragen. Entsprechende Maßnahmen stärken die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Medien und schützen den Meinungsbildungsprozess. Das wird auch vom Bundesverfassungsgericht immer wieder vom Gesetzgeber eingefordert.
Meine Position: Plattformen müssen auch in der Online-Welt Sorge dafür tragen, dass illegale Inhalte entfernt werden. Man macht es sich zu leicht, wenn man diese Verpflichtung an die Nutzenden outsourct. Vorsorgemaßnahmen wie (freiwillige) Content-Moderation (die vielfach ohnehin wieder abgeschafft ist) haben bisher nichts daran geändert, dass Plattformen derzeit nach dem DSA – selbst bei Hassrede u.ä. – nur reaktiv handeln müssen.
Parallel zu nötigen Anpassungen in der Regulierung wird es immer wichtiger, die Bedeutung von Public Value stärken: Mit der Verschiebung der Meinungsbildung in das Netz ist es ganz zentral, Qualitätsmedien weiterhin zu unterstützen und zu fördern – was ja auch heute wieder auf unserer Tagesordnung steht (TOP 8). Auf Benutzeroberflächen müssen Rundfunkinhalte mit gesellschaftlichem Mehrwert sichtbarer platziert werden.
Insolvenzen ego FM und Radio Hashtag/Radio Primaton
Wirtschaftliche Herausforderungen haben aktuell zwei bayerische Hörfunkanbieter in die Insolvenz gezwungen.
Radio Hashtag+ und Radio Primaton der Anbietergemeinschaft Schweinfurter Rundfunk GmbH & Co. Studiobetriebs KG hatten bereits im Sommer vergangenen Jahres ein Insolvenzverfahren beantragt. Ihre Anträge auf Verlängerungen der UKW- und DAB-Zuweisungen stellte die Landeszentrale daraufhin vorerst zurück; beide Zuweisungen laufen noch bis 30. Juni 2025. Ende 2024 hatte die Gläubigerversammlung einen Insolvenzplan, der die Fortführung der Programme vorsieht, angenommen. Einer der Gesellschafter klagte jedoch dagegen – die Klage ist noch anhängig. Die BLM steht in Austausch mit den Anbietern.
Für auch öffentliches Aufsehen hat jüngst die zweite, im Januar 2025 angemeldete Insolvenz des Senders egoFM, gesorgt.
Die Verlängerung der bestehenden DAB- und UKW-Kapazitätszuweisungen von egoFM hatte der Medienrat bereits im Dezember letzten Jahres beschlossen. egoFM wird landesweit über DAB und Satellit sowie über UKW-Stützfrequenzen verbreitet.
Bisher liegen der BLM keine weitergehenden Informationen vom Anbieter vor, um die rechtlichen Auswirkungen auf die bereits beschlossenen Verlängerungen zu prüfen. Nach bisherigen Informationen von egoFM soll das Angebot künftig nur noch über DAB und das Internet verbreitet werden. Die UKW-Verbreitung, die eher als Hemmschuh gesehen wird, soll wohl eingestellt werden, obwohl egoFM die Verträge mit der bmt zur UKW-Verbreitung gerade erst Ende 2024 neu abgeschlossen hatte.
Die BLM wird im Austausch mit den beiden Anbietern alles dafür tun, Lösungen aufzuzeigen. Der drohende Vielfaltsverlust durch diese und ggf. weitere Insolvenzen ist sehr zu bedauern. Er hat sich aber – so ehrlich müssen wir sein – ein Stück weit abgezeichnet: Der Medienrat warnte in seiner Ende 2023 verabschiedeten Audiostrategie bereits vor lokalen Vielfaltsverlusten aufgrund erdrückender UKW-Verbreitungskosten vor allem im ländlichen Raum...
Mit Blick auf eine gute Zukunft für Audio setzt die BLM mehr denn je auf ein Solidarmodell, das große und kleine Sender mitnimmt. Ich bin überzeugt: Bei Verbreitung und Finanzierung muss die Branche gemeinsam agieren und auf DAB+ setzen. Wie das durch Marketing gezielt unterstützt werden kann, hören wir später am Beispiel des Hörfunks im Allgäu (TOP 9).
Kooperation im privaten Hörfunk
Zu einem Austausch hatte Medienminister Dr. Florian Herrmann bayerische Lokalradiosender, deren Verbände, die BLM sowie den Medienstandort-Botschafter Siegfried Schneider vergangene Woche in die Bayerische Staatskanzlei eingeladen. Im Mittelpunkt stand – aufgrund des gerade bereits thematisierten, wachsenden wirtschaftlichen Drucks und weiterer drohender Insolvenzen in der Audio-Branche – das Thema Kooperationen.
Ich habe in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Audiostrategie hingewiesen, die das Thema Vielfaltssicherung durch Synergien klar adressiert und dafür klare Leitplanken formuliert hat. Position der Landeszentrale ist dabei schon immer: So viel lokale Vielfalt wie möglich, so viel Wirtschaftlichkeit wie nötig. Hier sind in der Audiostrategie 2025 zahlreiche Möglichkeiten aufgelistet und gerade die Stärkung der Dienstleistungsgesellschaft für Bayerische Lokal-Radioprogramme (BLR) könnte wie ein Booster für sinnvolle Kooperationen wirken – wenn die Anbieter die darin liegenden Chancen nutzen.
Zuffa-Urteil
Ende November vergangenen Jahres ist mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) ein beinahe 15-jähriger Rechtsstreit beendet worden. Gegenstand war ein Bescheid aus dem Jahr 2010: Er betraf die Ausstrahlung von „Ultimate Fighting Championship“ im Programm von Sport 1.
Sie erinnern sich: Die ZUFFA UK Ltd veranstaltete die sog. Mixed Martial Arts Wettkämpfe, bei denen – ähnlich einem Boxkampf – zwei Kontrahenten gegeneinander antreten. Dabei sind neben Schlägen mit den Fäusten auch Tritte mit dem Fuß u. ä. erlaubt.
Ursprünglich war das Angebot im Jahr 2009 genehmigt worden, ein Jahr später (3/2010) untersagte die BLM das Programm aber, auch auf Wunsch des damaligen Medienrats.
Dagegen klagte die ZUFFA UK Ltd, Sport1 nahm als Beteiligte am Rechtsstreit teil. In der Folge ließ die Landeszentrale die Rechtmäßigkeit des Bescheids über mehrere Instanzen überprüfen (VG München, BVerwG, BayVGH). Dabei wurden u.a. auch Fragen zur Grundrechtsträgerschaft der BLM erörtert und nach einer Entscheidung des BayVerfGH (2021) entschieden, dass die Landeszentrale Grundrechtsträgerin nach Art. 111a BV ist.
Nun stellte das Bayerische Verwaltungsgericht am 27. November 2024 fest, dass der Ausgangsbescheid der BLM bis zum Ablauf des 31. Januar 2020 (Brexit) rechtswidrig war. So habe es an einer Befugnisnorm für die Untersagung gefehlt. Auch habe die BLM damals fälschlicherweise auf die Anordnungsbefugnis des Art 16 BayMG abgestellt.
Die Erfolgsaussichten einer erneuten Revision werden von uns auch nach Prüfung von rechtsanwaltlicher und wissenschaftlicher Seite als gering angesehen. Wir legen daher kein weiteres Mal Beschwerde oder eine weitere Verfassungsbeschwerde ein. Wir sehen in dem Urteil allerdings auch einen wichtigen Erfolg, weil sich der BayVGH zum ersten Mal intensiv mit der Grundrechtsträgerschaft der BLM beschäftigt hat und sie damit vollumfänglich anerkannt hat.
Save The Date: 40 Jahre BLM
Vor einem knappen Jahr haben wir gemeinsam hier in der Landeszentrale „40 Jahre privater Rundfunk“ gefeiert – in diesem Jahr steht der „Runde“ der BLM selbst an. Auch das wollen wir ein bisschen würdigen. Wir nutzen den nächsten Medienrat am 3. April 2025 um mit Ihnen, vielen Weggewährten aus dem Umfeld der BLM und der einen oder anderen Überraschung dies zu feiern. Wir freuen uns, wenn Sie sich das Datum reservieren. Details folgen!