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Corporate & Startup: Voneinander lernen
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Corporate & Startup: Voneinander lernen

Neugierde war die Triebfeder für Michael Oschmann, die gewohnten Pfade des Familienunternehmens Müller Medien zu verlassen und sich im New Business zu engagieren. Er hält allerdings weniger davon, die Sphären Corporate und Startup zu vermischen. Voneinander lernen könnten sie aber sehr wohl. Für Startups bietet Bayern seiner Ansicht nach hervorragende Bedingungen.

Text Bettina Pregel

Tendenz: Für die Geschäftsfelder Broadcast und Directories ist Müller Medien bekannt. Wieso haben Sie schon vor vielen Jahren das Geschäftsfeld New Business neu erschlossen und in Startups investiert?

Michael Oschmann: Meine Schwester Constanze und ich hatten das Glück in einer Unternehmensfamilie aufzuwachsen, die von unserem Urgroßvater in seinem Wohnzimmer gegründet wurde, als er 65 Jahre alt war. Diese Neugierde zeichnet auch unseren Vater aus, der in der Deregulierung des Rundfunkmarkts in den 1980er Jahren eine unternehmerische Chance gesehen hat. Die Digitalisierung hat einen Technologiesprung ermöglicht, der alte Markteintrittsbarrieren reduziert und neue Geschäftsmodelle möglich gemacht hat. Da hat meine Neugierde zugeschlagen. Jetzt profitieren wiederum unsere etablierten Geschäftsbereiche von den erfolgreichen Startups und die Transformationsmaßnahmen dort fußen auf eigenen unternehmerischen Erfahrungen.

Nach welchen Kriterien suchen Sie Ihre Startup-Partner aus? Und wie findet Müller Medien die Jungunternehmen, in die investiert wird?

Wir gehen nach ähnlichen Kriterien vor wie traditionelle Venture Capital-Geber: Team, Idee und Größe eines Markts. Vielleicht ist für uns das gute Timing einer Transaktion etwas bedeutender. Die beste Quelle ist die Freude unseres Teams daran, sich mit vielen Menschen über unternehmerische Ideen auszutauschen. Außerdem bekommen wir Empfehlungen von Partnern in gemeinsamen Unternehmen.
Wir vermeiden die Vermischung der Sphären Corporate und Startup.

Inwiefern passen die Standbeine privater Rundfunk und Directories zum New Business?

Durch den Transfer der Bedürfnisse der mehr als 150.000 Kunden in die digitale Welt haben sich zwar das Geschäftsmodell und die Organisation geändert (vom Lokalverlag zur Netzwerk-Plattform), aber nicht die Aufgaben: den Mittelstand zu unterstützen, ihm neue Kunden zuzuführen und bestehende Kunden zu aktivieren. Das schafft bei unseren Partnern in den Startups das Vertrauen, dass wir auch bei bei der Neuausrichtung junger Unternehmen ein erfahrener Sparringspartner sein können. Wir vermeiden jedoch die Vermischung der Sphären Corporate und Startup. Es könnte unserer Meinung nach zu Interessenkonflikten führen oder die Mitgesellschafter verunsichern, wenn es über den aktiven Austausch untereinander hinaus geht. Am besten funktioniert eine Zusammenarbeit, wenn diese aus dem Unternehmen selbst entsteht.

Welche Erfahrungen hat Müller Medien mit seinen Startup-Partnern gemacht? Gab es auch Unternehmensideen, die gescheitert sind?

Oh ja, die gab es natürlich auch. Es ist nun mal das Wesen der frühphasigen Investments, dass nicht alles gelingt. Trotzdem werden wir weiterhin neugierig bleiben, da die erfolgreichen Projekte und Unternehmen bei weitem überwiegen. Und wir sind nach wie vor begeistert, mit anderen Menschen unternehmerisch an Lösungen für heutige und künftige Probleme zu arbeiten.

Welche Faktoren sind der Schlüssel für den Erfolg eines Startups?

Darauf lässt sich vermutlich keine universell gültige Antwort geben. Jedem Anfang wohnt frei nach Hermann Hesse ein Zauber inne. Neben der Bedeutung des Problems spielen außer der Idee vor allem die Fähigkeiten und Ausgewogenheit im Team eine große Rolle. Und natürlich dessen Fähigkeit für das richtige Timing: beim Eintritt in bestimmte Märkte, aber auch bei der Beteiligung.

Standortvorteile in Bayern: Netzwerke, Infrastruktur und Bildungssystem

Inwiefern können Startups und Corporates, also größere Unternehmen, voneinander lernen, was Kreativität und Innovation betrifft?

Das ist keine einfache Frage, da die Erfahrungswelten, die Erwartungen und auch die Definition in beiden Welten sehr unterschiedlich sein können. Ein Zehn-Prozent-Schritt in einem Corporate kann für dessen Organisation einen sehr großen Durchbruch bedeuten, während ein Startup hier in sich selbst verharren würde. Für ein Corporate lohnt sich der Blick eines Startups, wie man einen etablierten Anbieter auf dessen Schwächen hin untersucht. So lassen sich blinde Flecken in der Strategie vermeiden. Für das Wachstum von Startups ist es wichtig, sich in puncto Produktpalette und Organisation zu disziplinieren. Das können sie von Corporates lernen.

Und inwiefern können Startups und Corporates voneinander lernen, wenn es um die Gestaltung der Arbeitswelt und die Gewinnung junger Talente geht?

Jeder von uns verbringt sehr viel Lebenszeit im Unternehmen oder noch genauer: in seinem Team. Je enger – räumlich oder auch virtuell – die Teams arbeiten, desto mehr entsteht Vertrauen zwischen den Team-Mitgliedern, die in Startups wie auch Corporates unterschiedliche Rollen besetzen. Insofern würde ich diese beiden Welten nicht zu stark unterscheiden.

Bayern ist laut Studien ein starker Standort für Startups: Welche Standortfaktoren sind dafür ausschlaggebend?

Als Clubfan könnte ich den Männer- und Frauenfussball anführen... Nein, im Ernst: Unseres Erachtens sind als große Vorteile der Zugang zu aktiven Netzwerken von Unternehmerinnen und Unternehmern sowie die Investorenszene zu nennen. Die Infrastruktur erlaubt eine schnelle Anbindung durch die Flughäfen, und die „Rennstrecke“ der deutschen Bahn zwischen München und Nürnberg ermöglicht die Verbindung mit den Szenen im Westen, in Leipzig und Berlin. Nicht vergessen werden sollten außerdem das bayerische Bildungssystem, der Sicherheitsaspekt und die Freizeitmöglichkeiten.

Technologiesprung durch AI könnte zweite spannende Welle an Startups kreieren

Sie sind auch international viel unterwegs. Wo sehen Sie das Startup-Land Bayern im nationalen und internationalen Vergleich?

Mit wem wir auch sprechen: Alle haben sofort eine Assoziation zu unserer Heimat und seien es lediglich kulturelle Eindrücke. Nach wenigen Sekunden ist schnell eine kommunikative Brücke gebaut. Dies ist für uns als kleinerer Vertreter in dieser Branche ein wichtiger Aspekt und ergänzt die Zahlen und Daten. Ob in den USA, Brasilien oder in Südostasien: Beides zusammen macht die Gesprächspartner neugierig auf eine Partnerschaft. Für Startups sind natürlich das Netzwerken, der Zugang zu (Anschluss)-Finanzierungen und die übrigen Standortfaktoren wichtige Entscheidungskriterien.

Der digitale Transformationsprozess der Unternehmen geht durch Künstliche Intelligenz (KI) in die nächste Runde. Welche Chancen eröffnet das für junge Unternehmen bzw. Startups?

Es ist offensichtlich, dass nach der Digitalisierung nun Artificial Intelligence (AI) der nächste große Technologiesprung sein wird. Aus unserer Sicht würden wir auch noch die Blockchain-Technologie dazu nehmen, da das Zertifikat Vertrauen schafft. Nach einer ersten Phase der Effizienzsteigerung bei der Beseitigung von Problemen wird die Lösung gerade erst entstehender Probleme eine zweite spannende Welle an Startups kreieren.

Vertrauen in Formate und Medien durch verlässliches Verhalten stützen

Und welche Herausforderungen sind damit für das Broadcast-Geschäftsfeld verbunden?

Die beliebige Erzeugung von Inhalten aus gesicherten und berechneten Datenbeständen ist die neue Realität. Außerdem fallen die Grenzen der sicheren Markteintrittsbarrieren weg und damit auch die Vormachtstellung der Linearität. Dadurch können neue Formate, Organisationsformen und Ideen entstehen. Das bringt große Herausforderungen für etablierte Strukturen mit sich. Ein ungemein wichtiger Punkt wird sein, das Vertrauen in unsere Formate, Medien und Persönlichkeiten durch verlässliches Verhalten zu stützen.

Eine persönliche Einschätzung zum Thema KI: Wieviel Regulierung braucht KI und was bedeutet das für Unternehmen, die KI-Anwendungen einsetzen oder entwickeln?

Wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft, die ein „level playing field“ für Nutzer und Anbieter erfordert. Das bedeutet nicht, dass alle gleich sein müssen, aber eine „rote, gelbe und grüne Ampel“ muss für alle gelten und sanktionierbar sein, um einen gesamtgesellschaftlichen Ausgleich zu schaffen. Deshalb sind wir für eine Regulierung, in der möglichst viel Wettbewerb einen aktiven Markt schafft. So wird eine Konzentration auf sehr wenige Anbieter durch regulierte Schnittstellen sowie transparente und nachvollziehbare Algorithmen verhindert.


Zur Person:
Michael Oschmann ist seit 2000 geschäftsführender Gesellschafter der Müller Medien GmbH & Co. KG mit den Geschäftsbereichen Directories, Broadcast (Beteiligungen an lokalen und nationalen Radiosendern), New Business (inkl. Startups) und Print Media. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium an der FAU Erlangen erfolgte 1994 der Einstieg in die Unternehmensfamilie. Er engagiert sich als Mitglied in verschiedenen Gremien, Stiftungen und Kommissionen (z.B. in der CSU-Medienkommission, beim Digitalradio Board und im Kuratorium „Antenne Bayern hilft“).

Bild Bettina Pregel
Bettina Pregel ist stv. Pressesprecherin und Redakteurin der TENDENZ in der Gruppe Kommunikation der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. Die Pressereferentin arbeitete zuvor bei Tageszeitungen und Fachzeitschriften.
 
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