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Das Magazin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien

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Vielversprechende Verbindungen

Die einen bieten Inspiration für innovative Ideen, die anderen verfügen über Kapital und Infrastruktur. Wie Startups langfristig die deutsche Medienlandschaft verändern können. Und welche Erfolgsbeispiele es dafür gibt.

Text Lisa Priller-Gebhardt

Die Bekämpfung von Fake News ist eine Mission, die sich das Start­up Factfox auf die Fahne geschrieben hat. Es hilft Medienhäusern die Fülle an Kommentaren, die im gesamten Web über die verschiedenen Kanäle wie Facebook, X, Instagram und sogar per Mail eintrudeln, zu prüfen. Mit einem Click erhalten die Mitarbeitenden in den Redaktionen Antwortvorschläge – abgestimmt auf jeden einzelnen Kommentar.

Der Algorithmus von Factfox bezieht dabei neben Text auch Faktoren wie Aktualität und Trends mit ein. So können den Usern schnell überprüfte Zahlen und Fakten entgegengehalten werden. Gleichzeitig nimmt Factfox ihnen die Sisyphusarbeit ab, selbst nach den richtigen Antworten zu suchen. Kunden schließen dafür ein monatliches Abo ab, das je nach Umfang von 250 bis 1.500 Euro reicht.

Vorteil agiles Arbeiten

Durch ihre neue Herangehensweise können junge Unternehmen die Medienlandschaft verändern. „Klassische Medienunternehmen haben häufig nicht die Expertise im eigenen Haus“, sagt Stephanie Schuhknecht, Mitglied des Bayerischen Landtages und Medienrätin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). „Da können Startups helfen, die Zukunft dieser Häuser zu sichern, weil sie sehr agil arbeiten und Dinge schnell ausprobieren und umsetzen können.“ Aus Schuhknechts Sicht können sie also durchaus eine tragende Rolle einnehmen, denn das klassische Mediengeschäft aus Print, Radio und linearem TV kann heute nur sehr schwer noch mit der modernen Medienwelt aus Streaming und Social Media konkurrieren. „Viele KI-Entwicklungen, die heute in Redaktionen eingesetzt werden, kommen von Startups. Die Anwendungen reichen von der Bild-Erstellung über Tools zur Verifizierung von Fotos bis zu Software für das Korrekturlesen von Texten oder für das automatisierte Verarbeiten von Veranstaltungshinweisen“, so Schuhknecht.

Inzwischen fließt gerade auch bei Tageszeitungen viel Energie in die Personalisierung von Inhalten. „Durch den Einsatz von Algorithmen sind wir es immer stärker gewohnt, Inhalte zu bekommen, die zu unseren Interessen passen. Wenn zutreffende und für die Zielgruppe passende Informationen zusammenkommen, sind die Menschen auch bereit, Geld dafür zu bezahlen“, ist sich Schuhknecht sicher. Das belegt auch eine aktuelle Studie des Tageszeitungsvermarkters Score Media zur Zahlungsbereitschaft von Medienabos. Immer mehr Deutsche sind offenbar bereit, für Paid Content Geld auszugeben. Demnach ist die Ausgabebereitschaft mit knapp 72 Euro monatlich in Haushalten, die kostenpflichtige Newssites der regionalen Tageszeitungen nutzen, besonders hoch.

Auch die elektronischen Medien setzen auf Startups

Nicht nur bei Tageszeitungen, auch im Bereich Radio und TV wird inzwischen viel mit Startups zusammengearbeitet. So auch bei RTL Radio. „Innovationen aus dem Startup-Bereich sind für uns als Audiounternehmen wichtige Impulsgeber“, sagt Christian Schalt, Geschäftsleiter Audio Alliance. Eine Win-Win-Situation für Medienhäuser und Startups: Sie können gleichermaßen voneinander profitieren. Ähnlich argumentiert ProSiebenSat.1: „Einerseits brauchen Startups Unterstützung, besonders in frühen Phasen, etwa über Investments, erste Aufträge oder eine Kooperation zur Steigerung der Bekanntheit. Andererseits profitieren etablierte Medienhäuser von den innovativen Ansätzen und einer agilen Umsetzungsstärke“, erklärt ein Konzernsprecher. Um überhaupt zu wissen, was für morgen zählt, braucht es Innovationsmanager und -managerinnen in den Häusern.  „Sie schaffen es, die Vielzahl an möglichen Technologien und anderen Innovationen strukturiert zu beobachten und zu bewerten, wobei vor allem der mögliche Beitrag zu unseren Business-Zielen zählt. Zum anderen sorgen sie dafür, dass die Innovationen auch sinnvoll ins Unternehmen integriert werden. Dies ist oft eine Herausforderung, da die Innovation mit bestehenden Work-Flows und Technologien verbunden werden muss“, sagt Radio-Alliance-Manager Schalt.

Aktuell stehen bei RTL Radio vor allem Innovationen im technologischen Bereich im Fokus. Denn dort sind das Veränderungstempo und auch die Vielfalt der Entwicklungen hoch. „Dies komplett im eigenen Medienunternehmen abzubilden, wäre nur schwer leistbar und ineffizient“, so Schalt. Oft sei nicht klar, welche technische Entwicklung relevant wird. Und da seien Startups mit ihren kleinen, schnellen und spezialisierten Einheiten deutlich geeigneter. Die beiden größten Innovationsbereiche bei RTL Radio Deutschland sind derzeit Künstliche Intelligenz und AdTech. „In beiden Feldern entstehen gerade sehr viele Innovationen, die auf unser Geschäftsmodell einen großen Einfluss haben“, so Schalt.

Es gibt bereits zahlreiche Erfolgsbeispiele

Sobald eine Technologie auch für den breiteren Medienmarkt relevant wird, entstehen häufig Kooperationen, bei denen über Prototypen oder Projekte der Einsatz der vom Startup entwickelten Innovation im Medienunternehmen beginnt. So arbeitet RTL Radio Deutschland vor allem im digitalen Bereich mit Startups zusammen, die oft in einem bestimmten technologischen Bereich Innovationskompetenz besitzen. Schalt nennt einige Beispiele: QuantumCast für Streaming und AdTech, Ethinking für den Bereich Content-Orchestrierung oder Audiostack.ai für Künstliche Intelligenz.

Auch bei ProSiebenSat.1 pflegt man einen engen Austausch mit der Startup-Szene. Und hat dafür einen ganz eigenen Zugang gewählt. „Das passiert nicht zuletzt durch den Investmentarm SevenVentures, der regelmäßig mit aussichtsreichen Startups kooperiert“, so ein Konzernsprecher. Auch in Unterföhring gibt es zahlreiche Beispiele für lohnenswerte Engagements. So hat der Konzern über den SevenAccelerator, der frühphasige Startups fördert, unter anderem vor kurzem in Timeless Investments investiert, eine App zur Geldanlage in besondere Sachwerte wie Uhren, Kunst oder Fahrzeuge. Und das Startup Refurbed aus dem Portfolio von SevenVentures ist ein schnell wachsender Marktplatz für erneuerte Elektronik-, Haushalts-, und Sportprodukte im deutschsprachigen Raum.

Zudem hält der Bereich SevenGrowth derzeit eine Minderheitsbeteiligung an Urban Sports Club, einer großen Digitalplattform für Wellness und Sport in Europa. „Indem wir in solche Unternehmen über die Reichweiten der TV- und Digitalkanäle von ProSiebenSat.1 investieren und sie dadurch unseren Zuschauerinnen und Zuschauern bekannter machen, fördern wir faktisch Innovationen, unter anderem in den Bereichen Health-Tech, Fin-Tech, Edu-Tech sowie nachhaltige und gesunde Ernährung“, erklärt der Konzernsprecher.

Trends und neuen Möglichkeiten eine Struktur geben

Ein wichtiger Baustein sind in diesem Zusammenhang auch Innovationsprogramme. „Die Augsburger Allgemeine Zeitung hat dazu mit PD Next eine eigene Unit aufgebaut, die Startups fördert“, berichtet Schuhknecht. PD Next unterstützt innerhalb der Mediengruppe neue Produktangebote mit Digitalfokus und schafft Plattformen zur Weiterentwicklung im Bereich Digitalisierung und Transformation. So produziert PD Next beispielweise die Videoserie „Augsburger Allgemeine Original“ oder den täglichen Nachrichtenpodcast „Nachrichtenwecker“.

Am Standort Bayern ist das Media Lab, Teil der BLM-Tochter Medien.Bayern, eine wichtige Anlaufadresse (vgl. auch Titelthema und S. 21-23). Es fördert und unterstützt Neugründungen. Auch in anderen Bundesländern ist man in diesem Feld aktiv. Das Journalismus Lab der Landesmedienanstalt für Medien in NRW, das mit dem Media Lab Bayern bei der Innovationsförderung kooperiert, unterstützt Unternehmen finanziell bei der Umsetzung ihrer Vorhaben, um die Vielfalt des Journalismus und den Medienmarkt in NRW zu stärken. Zu den zuletzt ausgewählten Unternehmen zählen beispielsweise die Studio 47 GmbH für die Entwicklung eines Prototyps für das „News Hub“. Das ist eine KI-gestützte, cloudbasierte Plattform zur vollständig automatisierten Produktion tagesaktueller, regionaler Nachrichtensendungen. Oder die Splendid Synchron GmbH, die mit der Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Voice-Over-Fassung unter Nutzung von KI und synthetischen Stimmen den Synchronisationsprozess transformieren wollen.

Im Markt gibt es jede Menge weiterer spannender Ideen von Startups, um Medienhäusern den Sprung ins nächste Zeitalter zu ermöglichen. Jetzt heißt es, ihr Potenzial zu heben. „Wir freuen uns auch über jeden Kontakt zu Startups in diesen Feldern und sprechen sehr gerne über Kooperationen in diesen Bereichen“, so RTL-Mann Schalt.

Bild Lisa Priller-Gebhardt
Lisa Priller-Gebhardt schreibt für Fachmagazine wie Werben & Verkaufen und Zeitungen über die deutsche Medienlandschaft. Themenschwerpunkte der freien Journalistin sind Fernsehen, Digitalwirtschaft sowie Printmedien.
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