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Wie Startups in Bayern Zukunft gestalten
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Wie Startups in Bayern Zukunft gestalten

Gründergeist und Tradition: Der Innovations- und Technologie-Standort Bayern mit seiner Metropole München zieht auch viele Startups an. Welche Kriterien sind dafür ausschlaggebend? Und wie gestalten Startups in Bayern die Zukunft? Als Scharnier zwischen „Wissenschaft und Wirtschaft“ profitieren – gerade im Medienbereich – nicht nur die Startups von den Standortvorteilen.

Text Christian Simon

Ach, Berlin. Die deutsche Hauptstadt hat allen preußischen Mief lange hinter sich gelassen und ist heute, so die Statistik, Anlaufstelle Nr. 1 für Gründerinnen und Gründer. Der „Startup Monitor“ des Bundesverbands Deutsche Startups gibt für 2023 an, das fast 21 Prozent aller deutschen Startups in Berlin sitzen. Doch nicht nur in Berlin und Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, wird in Deutschland an innovativen Ideen und Start-ups gearbeitet – gerade auch im Medienbereich.

Mit knapp 13 Prozent aller deutschen Startups ist Bayern im Ranking unter den Top 3 mit dabei. Werden gar einzelne Städte als Standorte verglichen, folgt München gleich hinter Berlin auf dem zweiten Platz. Und es zeigt sich, dass hier viele alte Klischees von Snobismus, Laptop und Lederhose überdacht werden müssen.

Internationale Besucher sind begeistert vom Startup-Land Bayern

Das sagen die, die es wissen müssen. Ein Beleg dafür könnte die Bits & Pretzels sein, eine der größten Startup-Konferenzen in Deutschland, die jedes Jahr pünktlich zum Oktoberfest ein illustres Publikum aus mehr als 5.000 Gründerinnen und Gründer. Investment-Willige, Wirtschaftsgrößen und prominente Gäste nach Bayern lockt. Auf der Bühne standen zum Beispiel schon Arnold Schwarzenegger, Barack und Michelle Obama und Richard Branson.

Warum also Bits & Pretzels in Bayern? Und nicht Bits & Eisbein in Berlin? Die Antwort der Gründer Bernd Storm van's Gravesandem, Andy Bruckschloegl und Felix Haas: „Wir kommen aus Bayern und wollten von Anfang an die Gründer in der Region stärken. Der Standort München war für uns gesetzt, da die Stadt alles zu bieten hat, was ein Innovations- und Startup-Standort benötigt“.

Aber was heißt das genau? Was braucht es für ein erfolgreiches Startup-Ökosystem? „In Bayern sind die wichtigen Stakeholder hervorragend vernetzt. Es gibt hier Weltklasse-Universitäten, die mit ihren Entrepreneurship-Zentren einen effektiven Wissenstransfer in die Unternehmen ermöglichen, von dem am Ende alle profitieren“, sagen die Veranstalter der „Bits“ – und erzählen von internationalen Konferenzbesuchern und -besucherinnen, die von den Möglichkeiten Bayerns begeistert sind.

Ein Player in diesem Bereich, der seinen Teil zum Startup-Ökosystem Bayern beiträgt, ist das Zentrum für Innovation und Gründung UnternehmerTUM. „Die internationale Kultur einer Stadt wie Berlin fehlt uns hier vielleicht noch ein bisschen, dafür ist unser Ökosystem hervorragend mit der Wirtschaft vernetzt“, erläutert Barbara Mehner, Managing Partner des UnternehmerTUM-Inkubators XPRENEURS. Dazu trägt nicht nur die enge Anbindung an die Technische Universität München (TUM) bei, sondern auch die gute Beziehung zur Industrie in Bayern.

In zukunftsträchtigen Deep-Tech-Bereichen wie Sustainability oder Clean Tech kommen die Firmen direkt auf UnternehmerTUM zu. Denn es erfüllt eine wesentliche Übersetzungsleistung: „Unsere Startups sind das Scharnier zwischen Wissenschaft und Wirtschaft“, sagt Mehner: „Nur mit Startups kann man so einen Impact erreichen!“

Standortfaktoren Innovation und Tech-Industrie besonders hoch

Schaut man spezifischer auf das, was in Bayern im Medienbereich an neuen Ideen und Technologien entsteht, wird deutlich, dass sich dieser Impact nicht nur auf „harte“ Technologie beschränkt. Der Verband der bayerischen Wirtschaft (VBW) sieht in seiner aktuellen Studie zu Technologieprofilen in der bayerischen Wirtschaft die Digitalisierung als drittwichtigstes Themenfeld – nach Industrie und Materialinnovationen.

Zu Digitalisierung zählen hier mit Sozialen Medien, Künstlicher Intelligenz oder Gaming auch die Themen, die für Medien besonders relevant sind. Und dieses Feld hat 2023 an Bedeutung sogar noch zugelegt. Auch die Studie „Media Innovation Made In Bavaria“ der Standortinitiative XPLR: Media in Bavaria zeigt: 60 Prozent der dort befragten Medienunternehmen bewerten die Innovativität des Standorts als hoch.

Was nur Medien ist oder nur Tech oder Industrie, lässt sich in der digitalen Welt allerdings immer schwieriger auseinanderhalten. Und das ist sogar ein Vorteil des Standorts: Wenn BMW über autonomes Fahren nachdenkt, spielt dabei auch das Autoradio der Zukunft eine Rolle. Und die Frage, ob „Radio“ überhaupt noch der richtige Begriff für eine umfangreiche Medien-Suite ist.

Alle großen fünf Tech-Firmen – Google, Amazon, Apple, Microsoft und Meta – haben Standorte in Bayern, teilweise die einzigen in Deutschland. Niemand bezweifelt, dass es sich bei diesen Firmen zumindest teilweise um Medienfirmen handelt. Oder zumindest um Konzerne, die einen gewaltigen Einfluss darauf haben, wie Medien produziert, konsumiert und verbreitet werden. Außerdem sitzen viele Verlage und Broadcaster hier – das Potenzial für Partnerschaften sei groß, die Wege kurz, bestätigt Lina Timm, die das Media Lab Bayern mit gegründet hat und bis heute leitet.

Auch personell überschneiden sich diese Bereiche. Daniel Scholz beispielsweise hat das Startup Footprint Intelligence gegründet, das Medienunternehmen hilft, sich selbst und ihre gesamte Wertschöpfungskette nachhaltiger zu gestalten. Zusammen mit seinem Co-Founder war er vorher mit einer ähnlichen Aufgabe bei BMW betraut. „Digitale Applikationen im Fahrzeug sind super wichtig“, sagt er, „für die Nutzerzufriedenheit, aber auch was Verbrauch und Effizienz angeht“. Der Schritt, sein Wissen auch ­Medienunternehmen verfügbar zu machen, kam dann ganz von selbst.

Förderung durch das Media Lab Bayern

Das Startup Footprint Intelligence wird vom Media Lab Bayern gefördert, das zur Medien.Bayern GmbH gehört, einer 100%-Tochter der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Mehr als 100 Startups sind seit 2015 unterstützt worden, und nicht wenige davon bestehen inzwischen erfolgreich am Markt. Für BLM-Präsident Dr. Thorsten Schmiege profitieren am Standort Bayern sowohl die Medienunternehmen als auch Gründungswillige von den Fördermaßnahmen des Labs: „Durch die gezielte Förderung haben Startups Zeit, sich zu entwickeln und zu wachsen. So können sie die Medienlandschaft nachhaltig prägen und Innovationen vorantreiben. Mein Dank geht in diesem Zusammenhang auch an die Bayerische Staatskanzlei, ohne deren Förderung das Media Lab nicht möglich wäre.“

Die Förderung ist eine wichtige Antriebsfeder. Denn Medien-Startups sind bei vielen Investoren ohnehin weniger stark auf dem Radar, obwohl dort genauso an neuen Technologien gearbeitet wird. Dazu kommt: Auch im Tech-Bereich sind Investments aufgrund der allgemein flauen Wirtschaftslage gesunken – dort aber von höherem Niveau aus. Startups aus Bayern wie SUMM AI, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz Texte in leichte Sprache übersetzen, wurden im frühen Stadium erst von den Tech-Experten bei der TUM, dann vom Media Lab gefördert. Medien und Tech sind also keine grundverschiedenen Dinge, auch wenn sie von Wagniskapitalgebern noch oft so behandelt werden.

Wie Medienunternehmen und Startups voneinander profitieren können, weiß Lina Timm: „Startups haben für etablierte Unternehmen immer den Vorteil: Ich muss nicht alles selbst hinbauen und vielleicht scheitern, sondern kann mit einem Startup zusammenarbeiten, das schneller und offen für Anpassungen ist und mit Begeisterung Pilotprojekte angeht. Eine einfachere Art, sich neue Technologien ins Haus zu holen, gibt es nicht.“ Und die bayerische Wirtschaft macht von dieser Möglichkeit Gebrauch, auch über die Medienindustrie hinaus: Das Media-Lab-Startup Penemue hilft ProSiebenSat.1 beim Umgang mit Hass im Netz, Gutfeel liefert Marketing-Insights über die GenZ an Burda und 1 & 1 sowie Locco, die personalisierte Audioerlebnisse anbieten, entwickeln ihr Produkt mit Audi weiter (vgl. auch S. 18 – 20).

Beispielhafte Medienförderung, aber wenig institutionelle Investments

Trotzdem: Startups brauchen nicht nur Pilotprojekte, Testcases und Fachkräfte, sondern auch Kunden und Investments. Und gerade Letzteres ist ein knappes Gut in der Welt der Medien-Startups. Dass sich große Teile der bayerischen Startup- und Medienwelt auf München konzentrieren, bringt natürlich auch große Herausforderungen mit sich. Denn München ist eine der teuersten Städte der Welt. Man kann ein Startup nicht einfach in der Garage gründen, wenn sich niemand die Miete für eine Garage leisten kann. Öffentliche Förderung, wie sie nicht nur das Media Lab anbietet, ist deshalb für Medien-Startups überlebenswichtig.
„Was Medienförderung angeht, ist Bayern in Deutschland hervorragend aufgestellt“, sagt Lina Timm. „Das leistet sich in dieser Form kein anderes Bundesland.“ Dennoch ist auch die beste Förderung kein Ersatz für langfristige Investments. Genau diese fehlen aber eben im Medienbereich, weshalb viele Startups gerade in der Zeit zwischen Förderung und Etablierung am Markt in Schwierigkeiten geraten.

Institutionelle Investments könnten eine Lösung sein – aber auch BayernInvest, die Kapitalverwaltungsgesellschaft der bayerischen Landesbank, hat Medien und Media-Tech oft nicht auf dem Schirm. „Hier hätte der Freistaat die Möglichkeit, der Medien-Startup-Szene einen nötigen Schub zu geben – nicht nur als Förderung, sondern auch noch mit Aussicht auf Gewinn. Junge Medienfirmen sind bereit dafür“, so Timm. Auch die Gründer der Bits & Pretzels betonen diesen Punkt: „Staatlich unterstützte Fonds oder steuerliche Anreize sind beispielhafte Hebel, die das Wachstum und die Innovation weiter beschleunigen könnten.“

Große Potenziale in der bayerischen Gaming-Branche

Das würde auch einem anderen Teil der Medienbranche helfen: der Gaming-Industrie. Die Corona-Jahre, in denen alle zuhause noch mehr Zeit als ohnehin schon vor dem Computer verbrachten, verschafften ihr einen fabelhaften Aufschwung. Inzwischen setzt Ernüchterung ein, und zwar weltweit. Keine Woche vergeht ohne neue Meldungen von Jobverlusten und Studioschließungen. Und es ist noch kein Ende abzusehen. Der Stellenabbau betrifft kleine Independent-Studios genauso wie internationale Konzerne.

Das macht auch vor der Gaming-Branche in Bayern nicht halt, die sich besonders durch ein Nebeneinander von großen Studios und einer breiten Basis von kleinen Indies auszeichnet. Take-Two Interactive, einer der mächtigsten Games-Publisher der Welt und unter anderem Herausgeber der GTA-Reihe, hat seinen Deutschland-Sitz in Bayern. Aber genauso arbeiten Studentinnen und Studenten in kleinen und kleinsten Studios hier an ersten Videospielen.

Diese kreative Vielfalt zeichnet die bayerische Gamingbranche aus. Doch wie jeder weiß, der neben dem Broterwerb vielleicht in einer Band spielt oder sich künstlerisch betätigt: Kreativität allein führt noch nicht zum Erfolg, schon gar nicht zum wirtschaftlichen. Dafür braucht es Professionalität und gerade im Gaming-Bereich, wo Erfolg auf den großen Store-Plattformen wie Steam oder Epic erzielt wird, ein entsprechendes Marketing-Budget. Große Publisher können genau in diesem Punkt helfen, jedoch fehlt es jungen Spieleentwicklern und -entwicklerinnen hier oft an Wissen und Kontakten. Diesen Schatz gilt es für die bayerische Medienbranche in den nächsten Jahren zu heben – mit Projekten wie Games Bavaria, ebenfalls Teil der Medien.Bayern GmbH, werden auch hier vielversprechende Schritte gemacht.

Die Chancen nutzen – über Landesgrenzen hinweg

Egal, ob in den Medien oder in anderen Branchen: Alle scheinen verstanden zu haben, dass man mit neuen Ideen und Produkten vorangehen muss. Vom ewigen Fokus auf das Wort Innovation und die damit einhergehenden Buzzwords kann man halten, was man will – wer die Zukunft mitgestalten und in ihr erfolgreich wirtschaften will, muss Neues ausprobieren.

Diese Zukunft macht nicht an Landesgrenzen halt. Startup-Förderung ist deshalb nicht nur ein bayerisches oder Berliner Thema, sondern ein bundesweites. „Die globalen Technologieführer dürfen nicht nur im Silicon Valley heranwachsen, sie müssen auch bei uns eine Heimat haben“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner im vergangenen Jahr.

Anlass für das Zitat war das „Zukunftsfinanzierungsgesetz“ der Bundesregierung. Unter anderem soll dadurch der Zugang zum Kapitalmarkt für Startups und kleine Firmen vereinfacht werden, indem Hürden für einen Börsengang gesenkt und Gründer bei der Ausgabe von Anteilen gestärkt werden. Fehlendes Kapital und überbordende Bürokratie sind genau die Probleme, die auch bei Gesprächen mit den Startup-Fördernden in Bayern immer wieder genannt werden. Von den neuen Regelungen profitieren Startups also, egal, wo sie sich ansiedeln. Wenn sie sich dann für Bayern entscheiden, sind sie auf jeden Fall nicht allein.

Bild Christian Simon

Christian Simon arbeitet seit 2018 als Senior Manager Research & Strategy beim Media Lab Bayern. Zuvor war der Journalist u.a. für die Süddeutsche Zeitung, turi2 und das Social Media-Watchblog tätig.

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