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Die Macht der Täuschung
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Die Macht der Täuschung

Gezielte Desinformation kann demokratische Prozesse gefährden. Mit der zunehmenden Verbreitung von Künstlicher Intelligenz (KI) verschwimmen die Grenzen zwischen Wahrheit und Täuschung immer mehr. Medien- und KI-Kompetenz wird deshalb in der digitalen Ära zur Schlüsselqualifikation.

Text Franziska Mozart

Eine Ente wirkt etwas tollpatschig, ist aber ein harmloses Tier. Eine Zeitungsente, dieses etwas altmodische Wort, bezeichnet ebenfalls etwas Tollpatschiges: eine Falschinformation oder eine Geschichte, die nicht stimmt. Der Unterschied zwischen Fehlinformation und Desinformation ist weit größer als ein paar Buchstaben: Er liegt in der Absicht.

Während bei einer Fehlinformation ein Missgeschick vorliegt, ist die Täuschung das klare Ziel der Desinformation. Der Dichter Bertolt Brecht brachte den Unterschied zwischen Fehl- und Desinformation in „Das Leben des Galilei“ mit folgenden Worten auf den Punkt: „Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“

Desinformation kann – gezielt eingesetzt – den öffentlichen Diskurs lenken, Menschen täuschen und die demokratische Meinungsbildung manipulieren. Das geschieht mit manipulierten Bildern und Videos, Lügen, falschen Behauptungen und aus dem Kontext gerissenen Zahlen oder Zitaten. Gefährlich daran ist, dass Desinformation oft schwer zu erkennen ist und Emotionen schürt. Dahinter stehen meist Gruppen, die dem politischen System und seinen Institutionen schaden wollen, beispielsweise rechtsextreme Gruppen. Die Bundesregierung warnt außerdem vor gezielten Desinformationskampagnen aus dem Ausland, etwa aus Russland.

Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation

Die Kraft von Bildern und Sprache ist enorm. Was Menschen sehen oder hören, das glauben sie oft auch. KI kann Personen sehr rea­listisch in Bilder oder Videos einfügen und aus kurzen Audio-Schnipseln von Stimmen ganze Botschaften erstellen, die täuschend echt klingen. Doch mit den technischen Möglichkeiten wächst nicht automatisch auch die Medienkompetenz der Rezipientinnen und Rezipienten. Desinformation und Manipulationen können daher eine starke Macht entfalten.

Im Januar beispielsweise, kurz vor den Vorwahlen in New Hampshire, wurden zahlreiche Wahlberechtigte in den USA von einem Anruf überrascht, der angeblich von Präsident Joe Biden kam. Er wollte sie scheinbar davon abhalten, wählen zu gehen. Dieser Anruf stammte jedoch von einer KI. Das Weiße Haus dementierte sofort, die Generalstaatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein.

Sicherheitsbehörden registrieren auch in Europa solche Versuche der politischen Manipulation durch KI, insbesondere im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, wie der EU-Kommunikationsexperte Lutz Güllner erklärt. Im europäischen Auswärtigen Dienst gibt es eine eigene Abteilung mit dem Namen „Informationsintegrität“, die gegen Desinformation und Manipulationsversuche vorgeht.

KI-Anwendungen können eben nicht nur helfen und unterstützen, sondern auch manipulieren. Forschende des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben gezeigt, wie KI-Systeme in der Lage sind, Menschen zu täuschen. Sprachmodelle können demnach sehr überzeugend argumentieren und dabei auch Lügen nutzen. Die Konsequenz? Medien müssen immer genauer prüfen, was sie verbreiten. Und die Nutzerinnen und Nutzer sollten noch besser lernen, Desinformation zu erkennen und damit verantwortungsvoll umzugehen.„Medienkompetenz bedeutet zunehmend auch KI-Kompetenz“, sagt Dr. Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). „Sie zu vermitteln, ist heute eine zentrale Aufgabe in unserer Demokratie. In einer digital geprägten Gesellschaft, in der jede und jeder zu Absendern von Botschaften werden kann, ist es notwendig, dass auch alle diese Botschaften auf ihren Echtheitsgehalt hin überprüfen können.“

Vertrauen in die Medien stärken

Medienkompetenz zu vermitteln, ist inzwischen zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe geworden, die nicht nur Medienanstalten fordert. Um gerade junge Menschen für Manipulationsversuche zu sensibilisieren, haben sich z.B. in der Initiative #UseTheNews, der „Allianz für Nachrichtenkompetenz im digitalen Zeitalter“, Partner aus Medien, Bildung und Forschung zusammengeschlossen, darunter auch die BLM.

Die aktuelle Kampagne „Das Jahr der Nachricht“ soll den kompetenten Umgang mit Nachrichten stärken. Dabei stehen besonders junge Zielgruppen im Fokus, deren Medienkonsum sich zugunsten der Sozialen Medien verschoben hat. Ihnen bietet #UseTheNews Zugang zur Nachrichtenwelt über die Medien, die sie ohnehin am liebsten nutzen: Auf TikTok, Instagram und Youtube vermitteln Redakteurinnen und Redakteure aktuelle Nachrichten auf Augenhöhe, unterhaltsam und mit Hintergrundwissen. Die Jugendlichen sollen verstehen, was das mit ihrem Leben zu tun hat.

Wichtig ist außerdem zu erklären, wie Journalismus funktioniert. Denn nur dann kann auch Vertrauen in die Medien entstehen. Medien tragen als wesentliche Säule der Demokratie eine besondere Verantwortung. Damit das so bleibt, müssen sie sich mit ihren Zielgruppen weiterentwickeln.

Die Rolle der Sozialen Medien

Gerade Soziale Medien bieten einen Nährboden für Desinformation. Denn je stärker Inhalte polarisieren und dadurch Kommentare und Likes erhalten, umso mehr „belohnt“ der Algorithmus den Post durch Reichweite. So verbreiten sich Gerüchte und Fake News besonders leicht.

Tiktok spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Bytedance, das Unternehmen hinter Tiktok, ist immer wieder mit der Kritik konfrontiert, dass die chinesische Regierung Zugriff auf die Daten der App habe. Viele demokratische Parteien zögerten deshalb lange Zeit, mit einem Profil auf TikTok vertreten zu sein. Dieses Vakuum haben radikale Kräfte für sich genutzt. Immerhin beziehen neun Prozent der 18- bis 24-Jährigen in Deutschland ihre Nachrichten über Tiktok. Das ermittelte das „Reuters Institute for the Study of Journalism“. Weltweit liegt der Anteil in dieser Altersgruppe bereits bei 44 Prozent.

Angesichts dieses veränderten Mediennutzungsverhaltens gerade der jungen Menschen ist es um so wichtiger, gegen Desinformation und Manipulationsversuche gewappnet zu sein.

Bild Franziska Mozart
Franziska Mozart ist freie Journalistin, Strategin und Ghostwriterin. Sie hat u.a für das Magazin Werben & Verkaufen und für das Handelsblatt gearbeitet. Ihre Lieblingsthemen sind Kommunikation, Technologie und Nachhaltigkeit.
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